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bräuchlichen Vorsichtsmaßregeln unbeachtet ließen, während Andere, die ihren Verkehr mit der Außenwelt nicht unterbrachen, vollkommen gesund blieben. Bei Ersteren war es ohne Zweifel die übergroße Furcht vor der Krankheit, welche dadurch, daß sie den Geist herabstimmte, den Körper zur Aufnahme und Entwickelung des Krankheitsstoffcs empfänglich machte, während der Muth der Anderen gerade die entgegengesetzte Wirkung hervorbrachte. Gegen die unbedingte Ansteckung der Kranken liegen noch schlagendere Beweise vor. Im Jahre 1835 besuchten in Kairo mehr als dreißig Aerzte die Pestkranken und kamen mit denselben in oftmalige Berührung; nur zwei dieser Männer fielen der Seuche zum Opfer. Um diese Zeit erhob sich ein lebhafter Streit zwischen den Contagionisten und Anticontagionisten. Einer der Letzteren, der französische Arzt Clot-Bci, ließ, um seine Gegner zu überzeugen, in Gegenwart von mehreren Aerzten einem im Hospitale sich befindlichen Pestkranken das Hemde ausziehen, zog es noch ganz warm an und trug es während vicrundzwanzig Stunden auf dem bloßen Leibe, ohne daß ihm irgend ein fühlbarer Nachtheil daraus erwachsen wäre. Ein anderer Franzose ging noch weiter: er ließ sich den aus einer Pestbeule entnommenen Eiter einimpfen. Die Folgen davon waren leichte Ficbcranfälle, die sich mehrere Tage hindurch wiederholten und dann ausblieben. Beide spielten freilich ein gewagtes Spiel, denn leicht hätte auch ein tragisches Ende durch solchen frevelhaften Leichtsinn herbeigeführt werden können. Kein Egyptcr denkt daran, das Lager, auf welchem sein Bruder starb, oder die Kleider, welche der an der Pest Verstorbene trug, auszulüften oder gar zu verbrennen, sondern bedient sich derselben ungcschcut. Würde also die Berührung dieser Gegenstände unbedingt ansteckend'sein, so müßte auch nothwendiger Weise eine einzige Pestepidemie das ganze Nilthal zu einer menschenleeren Einöde machen."
,,Dic zweite Frage: können die die Pest erzeugenden Ursachen entfernt werden? wurde schon vor mehreren Jahren von der egypti- scheu Regierung aufgeworfen. Nach dem Gutachten der obersten Medicinalbehörde Egyptens, dem aus wissenschaftlich gebildeten Europäern bestehenden Oonseil äs sante zu Kairo, wurden verschiedene