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Zweiter Theil
Entstehung
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ungcmein zierlichen Füßchen mit prachtvollen, reich mit Golddraht, oft sogar mit Perlen gestickten Sammetpantoffeln. Jene Verimun- mung trägt die vornehme Orientalin, wenn sie in Begleitung eines häßlichen Verschnittenen auf der Straße erscheint. Der unerläßliche und unverletzliche Schleier ist, wenn ich so sagen darf, der Ha- rehm auf der Straße oder das Bild der Unverletzlichkeit der Frauen selbst. Er ist allen Morgcnländerinnen das unentbehrlichste Klei­dungsstück, ihn tragen die Türkinnen, Levantincrinnen, Griechin­nen und Koptinncn ebensowohl, als die Frauen der Fellahhihn. Erstere verhüllen ihr Gesicht weniger sorgsam als die Letzteren. Ich machte mir oft das unschuldige Vergnügen, eine der vermummten Türkinnen oder Levantincrinnen, wenn ich ihr in einer abgelegenen Straße begegnete, zu bitten, sich auf einen Augenblick zu ent­schleiern. Nachdem ich der arabischen Sprache mächtig geworden war, Tausend und eine Nacht in der Ursprache lesen und verstehen lernte, suchte ich mir die süßen und schwülstigen Phrasen der blu- mcnreicken arabischen Redeweise insoweit zu eigen zu machen, daß ich sie sclbstständig anwenden konnte. Eine wohlangebrachtc Schmei­chelei verfehlte auch bei den Orientalinnen ihre Wirkung nicht.O Du Herrin der Schönheit und Lieblichkeit, der Anmuth und des Liebreizes, des Ebenmaßes uiw untadelhaften Wuchses, Deine Au­gen leuchten wie Edelsteine hinill^der Nacht Deines Schleiers her­vor, wolltest Du nicht die Sonne Deines Angesichtes in ihrer vol­lendeten Reinheit und Schönheit Deinem Sclaven nur eine Sekunde lang leuchten lassen?" Einige Male war die Angeredete wirklich jung und schön, auch zufällig kein unnöthigcr Zeuge in der Nähe und ich erreichte meine Absicht. Die Dame lüftete auf einen Augen­blick ihren Schleier, aber gleichsam nur, um ihrem Grimme Luft zu machen, und rief mir dann mit dem freundlichsten Gesicht und erkünsteltem Zorne zu: ,,Unverschämter Franke, Deine Frechheit geht weit, eile, daß Du von hinnen kommst." Aber andere Male kam ich auch an die Unrechten. Der Schleier wurde zwar auch ein Wenig erhoben, aber nur, um Raum zu geben, voll Abscheu vor mir ausspucken zu können. Dann entströmte den entfärbten Lippen eine Fluth von Schimpfwörtern, deren schwächste, auf's