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Über den Lehrgcist, der bei dem Unterrichte gegenwärtig im Pensionate herrscht, steht dem Verfasser dieser Denkschrift kein Urtheil zu, denn er darf nicht Richter in eigener Sache und in der seiner Collcgen und Colleginnen sein.

Was die außerordentlichen Erziehungsmittel anlangt, die dazu dienen, die Schülerinnen zum Fleiße anzuspornen, so waren vor dem Jnslebentreten des Statutes die allgemein bekannten in Brauch und Übung. Die fleißigsten Schülerinnen wurden in das Ehrenbuch, die nachlässigen in das Strafbnch geschrieben, das Ausspeisen konnte versagt, der Spaziergang sogar beschränkt werden; Prämien erhielten die vorzüglichen Schülerinnen bei den öffentlichen Prüfungen, undkleinere Auszeichnungen" für solche Schülerinnen blieben überdies noch der Obervorsteherin überlassen. Ein seltsames Erziehungsmittel war im verwichenen Jahrhunderte im Schwünge: die Fehlertage und Küssetage! An den Fehlertagen wurden die Zöglinge classisieiert, auch dursten sie einander die Fehler sagen, die sie sich gegenseitig abgelauscht hatten;die Samstage", liest man in dem betreffenden Aetenstücke,waren die Küssetage. Da rücke sich Luzac unter die Rose, und da trete jede der Reihe, wie sie am Fehlertage classisieiert, hervor, ihren Kuss abzuholen und entgegen einen zu geben." *)

In der Censur, die monatlich in den verschiedenen Lehr- gegenstünden ertheilt wird, und in der Beschränkung der Ausgangs­tage erblickt man heutzutage allein die einzigen zweckmäßigen Erziehungsmittel, um den Wetteifer anzuspornen, den Fleiß zu lohnen und außergewöhnliche Nachlässigkeit zu strafen.

*) Act. d. Statth. Nr. 11 ex 1789.