Anschaulicher, als es die ausführlichste Darstellung- vermöchte, spiegeln die erhaltenen Urkunden und Schriften die eigenartige Stellung der Glasmeister und die öffentlich-rechtlichen Zustände und Regierungsmaass­nahmen wieder, unter denen, durch welche und ungeachtet welcher das Kleingewerbe der Glaserzeugung zur Gross-Industrie emporgewachsen ist.

Diese grossentheils noch unveröffentlichten Documente, die im Nachstehenden wiedergegeben sind, dürften als Beitrag zur Industriegeschichte der Heimat nicht unwillkommen sein.

Johann Leopold Riedel überreichte im Jahre 1764 ein Gesuch folgenden Inhaltes:

«Ihro Hoch Reichsgräflichen Excellenz, Hochgeborener des Heiligen Römischen Reiches Graf und Herr, Herr! Eure Hochreichsgräfliche Excellenz geruhen gnädigst zu erlauben, Hochdieselben demüthigst anerinnerlich zu sein, wie nach die gnädigst ratihabirte Kontrakten über die mir concedirten beiden Glashütten allbereit mit der angeraumten Pachtzeit sich zu endigen begitmen.»

Die Erledigung lautete:

«Dem Sublikanten wird auf sein geziemendes Ansuchen nachdem dieVerpachtungszeit etc. . . . je dennoch mit dem Beisatze das Er Glasmeister aus meinen Morchensterner Bräuhaus alle Wochen wenigstens ein Faß Bier abzunehmen schuldig sein solle!»

Ein anderes Decret aus gleichem Anlasse (1767) besagt:

«Dem Sublikanten zum Bescheide, dass ihm aus besonderer Gnade die Karls-Hütten annoch auf einige Jahre jedoch mit dieser Ausdrücklichkeit vergünstigen ivollen, womit selbter von der Stelle und Gebäude auch dein von meinem Wirthschafts- und Waldamte ohne Nachtheil des Anfluges auszuweisen, kommenden Wieswachses, es möge ja oder nicht gearbeitet werden, in meiner herrschaftlich Morchensterner Rennten in zwei Ratio anticipato 80 Fl. Zins richtig abführe und entrichte, auch das herrschaftlich Morchensterner Bier, Branntwein und allen andern Effekten ivie in vorhergehenden Contrakte exprimirt abzunehmen. ...»

Wie wenig der Glasmeister selbst über seinen Besitz verfügen konnte, und wie kleinlich die Denkungsart jener Zeit war, veranschaulicht nachstehende Rubrik des Gesuches des Anton Riedel auf Neuwiese (1791).

«Die hochreichsgräfliche Clam-Gallassche hohe Grundobrigkeit bittet ganz unterthänigst Anton Riedel Glashütten­meister in Neuwiese der Herrschaft Reichenberg um gnädigste Verstattung auf seine Unkosten und Unterhaltung ein kleines Glöcklein zum Ave-läuten öffentlich auf hangen zu mögen,» welches, wie folgt, beschieden wird:

«Daß sich Sublikant als dermaliger Eigenthiimer dieser Glashütten für sich und seine künftigen Nachfolger ver- reservire, daß die Unterhaltung dieses Glöckchens nie der Grundobrigkeit sondern stets und lediglich dem Glashütteneigen- thiimer zustehen solle, welcher Revers sodann in das herrschaftliche Reichenberger Amt zur Aufbewahrung zu erlegen ist.»

Eine Verordnung, betitelt «Reglement für Glasmeistere und Glasarbeitere im Königreich Böheim vom 5. October ijöj» veranschaulicht, mit welcher Fürsorge, aber auch mit welchen Beschränkungen der Actionsfreiheit die Glasmeister bedacht wurden. Sie besagt im Wesentlichen:

«ad 1. Darf kein Glasmacherlehrling auf genommen werden, ohne Vorwissen und Aprobation dero hierländischen Comercial Consess. Die Lehrzeiten werden bestimmt und dürfen Nachlässe von der festgesetzten Zeit nur gegen Anzeige an den Comerz-Inspector stattfinden.

ad 2. Es darf nur ein Lehrling auf zehn Betriebshafen auf genommen werden.

ad 5. Wird das sogenannte in 14 Tagen zu zahlende Kostgeld mit 4 Gulden bestimmt. Andere Nothwendigkeiten von Lebensmitteln, als Fleisch und Salz, sind zu dem in der nächst gelegenen Stadt sich erhaltenden Marktpreis zu liefern.

ad 12. Ein ganzjähriger Holzvorrath und ein vierteljähriger Schmelzmaterial-Vorrath mit Ausnahme der Potasche, welcher vierwöchentlich zu halten ist wird vorgeschrieben.»

Wie auf solchen Einschichten der Glasmeister Lieferant und Zahlstelle für alle Bedürfnisse des Arbeiters sein musste, erhellt aus einer Abrechnung eines Glasmachergesellen vom Jahre 1800.

Sie enthält folgende Posten:

Ihrte (Trunk) Fl. 2-36 'j 2 , dem Haindorfer Schuster Fl. i'§§, dem Schmied Fl. §'23, dem Leinweber 2, der Bube i r / 2 Ellen Tuch §8'j 2 kr., ipo Pfund Rindfleisch ä 6 ! j 2 kr., 10 Pfund Kalbfleisch ä §j 2 kr., 6 Pfund Schweinefleisch ä p 'j 2 kr., 2 Strich Erdäpfel ä Fl. 3' u. s. w.

Diese sich aus der Nothwendigkeit ergebende Einrichtung hatte jedoch das Gute zur Folge,' dass eine Art patriarchalischen Verbandes zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestand und Leid und Freud miteinander getragen wurden. _

Viel hat auch die Industrie durch die Aenderung der Geldwerthe gelitten; innerhalb 3o bis 40 Jahren wurde in Gulden rheinisch gerechnet, dann in Bancozetteln, dann in Wiener Währung, später, da österreichisches Geld schwer zu beschaffen war, in Preussisch-Courant, noch später in Zehn- und Zwanzigkreuzer-Stücken, um zur neuen Conventionsmünze überzugehen.

Die erhaltenen Steuerabrechnungen für Neuwiese geben einen Maasstab für die zu Anfang des Jahr­hunderts geforderten Steuerleistungen.

1815: Erwerbsteuer fl. 15 mit 3o Procent Zuschlag und 18 kr. für Stempel; Classensteuer fl. 3-46; Kopfsteuer fl. 8 - 3o.

Erwerbsteuerzuschlag ausser Obigem fl. 7-18 u. s. w.

An Jahresausweisen waren zu liefern: Sogenannte Manufactur- und Commerz-Ausweise, auch über den Preis und das verwendete Quantum Pottasche.

(Letztere scheinen auch auf ihre Richtigkeit geprüft worden zu sein, da das Conto eines Pottaschehändlers das Visum des Oberamtmannes und des Justitiärs von Reichenberg aufweist.)

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