M. SCHM1D & SÖHNE

EISEN- UND STAHLWAARENFABRIK

WILHELMSBURG (NIEDERÖSTERREICH).

u Wilhelmsburg in Niederösterreich befand sich seit dem Beginne unseres Jahrhunderts eine Gewehrfabrik, die durch die Errichtung der Waffenfabrik in Steyr gezwungen wurde, ihren Betrieb einzustellen. Das Vorhandensein einer tüchtigen Arbeiterschaar, sowie einer constanten Wasserkraft von 250 HP, welche der Traisenfluss bot, veranlassten im Jahre 1871 Herrn Moriz Schmid, das unbenutzte Object käuflich zu erwerben und daselbst mit der Erzeugung von Fracht- und Kaleschachsen zu beginnen.

Mit einem Hammerwerk und einer Dreherei wurde die Fabrication eröffnet; in den Werkstätten standen bei drei Hammerschlägen, sechs Drehbänken und zwei Bohrmaschinen 35 Arbeiter in Verwendung, welche im Verlaufe des ersten Jahres 1500 q Achsen fertigstellten. Das Etablissement hatte die bescheidene Ausdehnung von 860 m 2 . Durch eifrige Thätigkeit und Einbeziehung neuer Fabricationszweige gelang es Herrn Moriz Schmid binnen kurzer Zeit, dem Unternehmen eine bedeutende Ausdehnung zu geben, wobei derselbe von seinen beiden Söhnen Adolf und August, welche nach Vollendung ihrer Studien und praktischer Thätigkeit im In- und Aus­lande im Jahre 1888 als öffentliche Gesellschafter in das Geschäft eintraten, kräftigst unterstützt wurde.

Zunächst wandte Herr Moriz Schmid dem Umstande seine Aufmerksamkeit zu, dass die im Inlande aus Eisen erzeugten Heu- und Düngergabeln wegen ihrer Schwere von den Consumenten gegenüber den ausländischen, weit handlicheren Stahlgabeln zurückgesetzt und Rübengabeln überhaupt nur aus dem Auslande bezogen wurden. Er studirte diese Frage, und auch sein Sohn August lernte in Westfalen die dortige Erzeugungsweise gründlich kennen, so dass es gelang, die genannten Geräthe in der Qualität des ausländischen Fabricates herzustellen und dasselbe nicht nur im Inlande zu verdrängen, sondern auch den Export nach dem Auslande aufzunehmen.

Dieser erfolgreichen Ausdehnung des Etablissements folgte die Errichtung einer Weicheisengiesserei mit besonderem Schmelz- und patentirtem Temperverfahren. Dieselbe deckt sowohl den eigenen Bedarf an Achsenbestandtheilen etc., wie jenen zahlreicher Abnehmer der gewerblichen und Maschinen-Industrie und nimmt gegenwärtig in Bezug auf Qualität und Quantität der Erzeugung den ersten Rang unter den Weicheisengiessereien Oesterreichs ein. Als fernere Erweiterungen sind anzuführen die Errichtung eines Zeughammers, einer Sporer- waarenfabrik, sowie einer mechanischen Werkstätte, welche zur Anfertigung von Maschinen und Durchführung von Appreturarbeiten des eigenen Bedarfes, wie für jenen der Fabriken der Umgebung dient und sich auch mit der Herstellung von Bestandtheilen für elektrische Bahnen befasst. In jüngster Zeit schloss sich diesen Anlagen eine Gesenkschmiede und eine Schweisseisen- und Fagongiesserei nach dem neuen Haberlandverfahren an.

Die Heranziehung dieser neuen Productionszweige hatte selbstverständlich eine bedeutende Ausgestaltung des Etablissements bedingt. Die für die verschiedenen Productionszweige verwendeten Fabriksräume haben ein Ausmaass von 9800 m 2 erreicht. Dieselben sind mit mehr als 200 verschiedenen Arbeitsmaschinen ausgestattet und mit elektrischer Beleuchtung versehen.

Für die in den einzelnen Betriebsstätten beschäftigten Arbeiter, deren Zahl gegenwärtig 400 überschritten hat, ist durch Ventilations- und Schutzvorrichtungen, den Bau von Wohnhäusern, eine Aushilfs- und Unter- stützungscasse, eine Badeeinrichtung etc. vorgesorgt. Diese Maassnahmen bewirken die Aufrechterhaltung eines befriedigenden Verhältnisses zwischen Arbeiterschaft und Fabriksleitung, wovon die langjährige Dienstzeit zahl­reicher in dem Etablissement angestellter Personen Zeugnis gibt. Die Gründung eines landwirthschaftlichen Casinos; einer Spar- und Vorschusscasse, sowie eine ausgiebige Aufforstung von Waldungen gehen von dem Etablissement aus und tragen zum Gedeihen der Umgebung bei.

Jährlich verlassen ca. 18.000# fertige Fabricate die Fabrik in einem Facturenwerthe von ca. 600.000 fl., die nicht nur in Oesterreich-Ungarn Absatz finden, sondern auch nach Russland, Serbien, Rumänien, Bulgarien und Italien ihren Weg nehmen. Auch der im Jahre 1882 dem Wilhelmsburger Etablissement angegliederten Haar- und Wollfilzfabrik, sowie eines von der Firma gegründeten Eisenraffinirwerkes in Zenica in Bosnien, welches durch Plerrn Adolf Schmid geleitet wird, sei hier gedacht.

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