SÜDBAHN-SCHIENENWALZWERK

GRAZ.

m das für den Betrieb der Südbahn erforderliche Schienenmaterial in eigener Regie herstellen zu können, sah sich Oberbaurath Carl v. Etzel im Jahre 1861 veranlasst, dem Verwaltungsrathe der Südbahn-Gesellschaft die Anlage eines Schienenwalzwerkes vorzuschlagen.

Dieser Antrag wurde vom Verwaltungsrathe am 3 . April 1861 angenommen, die Errichtung eines solchen Walzwerkes am Grazer Bahnhofe beschlossen und sofort an die Durchführung des Baues geschritten. Die Leitung desselben wurde dem Herrn J. Hall übertragen, welchem auch in der Folge die Organisation und Führung des Betriebes anvertraut wurde.

Da vorerst die Absicht bestand, das von den Südbahnlinien gewonnene Brucheisen zu verarbeiten und daraus, sowie aus den von anderen Eisenwerken zu beziehenden Kopfstäben aus Feinkorneisen neue Schienen zu erzeugen, wurden anfangs nur sechs Schweissöfen mit Dampfkesseln, einer Walzenzugsmaschine, einer Walzenstrasse und einer Appretur erbaut. Die Arbeiten wurden mit grosser Beschleunigung eingeleitet und so rasch durchgeführt, dass schon im Jahre 1862 mit der Erzeugung von Schienen begonnen werden konnte.

Die Erzeugungsweise musste jedoch schon nach kurzer Zeit eine Aenderung erfahren. Bald nach der Betriebseröffnung wurde nämlich die Lieferung der bestellten Puddelstäbe für Schienenköpfe vonseiten der betreffen­den Eisenwerke aus verschiedenen Gründen unterlassen; deshalb musste der eigene Betrieb erweitert und auch die für die Erzeugung von Feinkorneisen erforderlichen Einrichtungen getroffen werden, und zwar wurden Puddel­öfen und Dampfhämmer aufgestellt, mittelst welcher die Fabrication des Materials für die Schienenköpfe vor sich gehen sollte.

Auch diese Erweiterung wurde mit grosser Raschheit durchgeführt, und schon im November 1862 wurden Schienen mit selbst gepuddelten Köpfen erzeugt.

Bereits nach wenigen Jahren des Bestandes hatte das Schienenwalzwerk der Südbahn wieder eine wichtige Aenderung des Betriebes aufzuweisen. Der Leiter des Werkes, Herr J. Hall, hatte nämlich auf einer Studienreise nach England sich mit dem «Bessemerprocess», welches Verfahren H. Bessemer im Jahre 1856 veröffentlicht hatte, beschäftigt; von der Reise zurückgekehrt, wollte er diese neue Productionsmethode dem von ihm geleiteten Walz­werke zunutze machen, und so gieng er im Jahre 1864 daran, eine Bessemerhütte zu errichten. Dieselbe blieb bis zum Jahre 1876 in Betrieb und lieferte während dieser Zeit das Material für die Stahlköpfe der «Stahlkopfschienen». Auch der Martinprocess fand in dem besprochenen Walzwerke bald nach seinem Aufkommen Eingang. Schon im Jahre 1869 begann man einen Martinofen zu bauen. Vom Jahre 1870 an wurden neben den Stahlkopfschienen auch Martinstahlschienen erzeugt.

Zu bemerken ist noch, dass unter der Leitung des Herrn J. Hall auch eingehende Versuche mit dem Blair­ofen (Erzeugung von Eisenschwamm aus Erzen) und dem Pernotofen (Tellerofen) im Jahre 1874 angestellt wurden.

Im Jahre 1876 gieng die Walzwerksleitung von Herrn J. Hall in die Hände des Herrn Julius Prochaska über; auf seine Initiative sind zahlreiche bedeutungsvolle Reformen im Betriebe des Werkes zurückzuführen. Gleich im ersten Jahre stellte er das Bessemerverfahren, welches bisher noch immer neben dem Martinprocess durchgeführt worden war, vollständig ein. Die Erzeugung gieng jetzt ausschliesslich auf Martinöfen, und zwar auf solchen saurer Zustellung vor sich. Kurze Zeit darauf wurde die Walzwerksanlage durch Errichtung einer Blockhütte erweitert. Der Productionskreis des Werkes erfuhr gleichfalls unter der Leitung des Herrn Julius Prochaska eine Ausdehnung, indem vom Jahre 1878 ab neben der Erzeugung von Schienen auch die Herstellung des Kleinmateriales, der Laschen und Unterlagsplatten betrieben wurde.

Nach Herrn Carl Zelinka, welcher im Jahre 1885 für acht Monate provisorisch zum Leiter des Walzwerkes bestellt wurde, übernahm die Walzwerksleitung Herr Ferdinand Moro. Inzwischen hatten sich manche Einrichtungen des Werkes als nicht mehr zeitgemäss erwiesen, aus diesem Grunde wurde Herrn Ferdinand Moro die Umgestaltung der ganzen Hütte übertragen. In erster Linie war die Martinhütte reformbedürftig. Da sich wegen zu grossen Reichthums an Phosphor nur ein geringer Theil der Altschienen zum Einsatz der sauren Martinöfen eignete, erbaute

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