Die Frauen der Arbeiter haben ausserdem die Gelegenheit, zu Hause durch Silberpoliren, Besteckfeilen und ähnliche Verrichtungen sich einen Nebenverdienst zu verschaffen.

Was die Arbeitszeit betrifft, so wird in Berndorf gearbeitet: im Sommer von 6 Uhr morgens bis 5 Uhr nachmittags, im Winter von 7 Uhr morgens bis 6 Uhr abends.

Da die Mittagspause 1 */ 2 Stunden und die Frühstückspause im Sommer r / 4 Stunde beträgt, so ergibt sich für Berndorf eine reine tägliche Arbeitszeit von 9 1 / 4 Stunden im Sommer und g J / 2 Stunden im Winter.

Der Betrieb erregt das Interesse aller Gebildeten und Fachleute, und wiederholt wurde Berndorf von hohen und höchsten Persönlichkeiten, Fachvereinen, Militärs und einzelnen Industriellen besucht.

In der That ist die Berndorfer Metallwaarenfabrik in ihrer Art der grösste Betrieb nicht nur des Fest­landes, sondern der Welt. Ihre Erzeugnisse sind im In- und Auslande wohl bekannt. Berndorf erzeugt:

An Rohproducten: Nickel;

an Halbfabrikaten: Bleche und Drähte aus reinem Nickel, Pakfong, Neusilber, Messing, Tomback und

Kupfer;

an Ganzfabrikaten: Bestecke aus reinem Nickel, verschiedenen Nickellegirungen, Alpaccasilber (gal­vanisch versilbert) und Zinnstahl; Tafelservice aus reinem Nickel, Alpacca und Alpaccasilber; Kochgeschirr aus reinem Nickel; Patronenhülsen vom kleinsten (6-5 mm) bis zum grössten Caliber ( 3 oo mm); Münzplättchen aus reinem Nickel, Bronze, Nickel- und Kupferlegirungen; Gegenstände des Kunsterzgusses.

Das angeführte Verzeichnis gibt nur in grossen Umrissen eine Vorstellung und einen Ueberblick über die Vielseitigkeit der Berndorfer Erzeugnisse. Es ist eine Reihe von Waaren, die mit dem einfachen Rohstoffe beginnt und stufenweise bis zum kostbaren Luxusgegenstande und Kolossaldenkmal aufsteigt. Sind es in den ersten Stadien der Erzeugung die chemischen Processe und die Arbeit gewaltiger Maschinen, welche aus dem Rohmetalle das billigere Halbfabrikat in Massen hervorbringen, so ist es in den letzten Stadien die Künstlerhand, die dem geschmeidigen Metall den Stempel individueller und werthvoller Schönheit aufdrückt. Der Zinnstahl­löffel in der Hütte des Armen, die Alpaccasilberbestecke am Tische des Wohlhabenden, der Hummerspatel des reichen Gourmands, das bei Festen prangende Tafelgeräth, die durch die Länder rollende Nickelmünze, die bei der unheilbringenden Kanone verwendete Patronenhülse, das eherne Standbild, alle diese Dinge werden arbeits- theilig in den Werkstätten Berndorfs erzeugt und in alle Welt versendet. Ulustrirte Preisverzeichnisse und Albums geben über die abwechslungsreiche Menge der Fabrikate ein genaueres Bild. Nur um die Mannig­faltigkeit der Erzeugnisse anzudeuten, sei beiläufig erwähnt, dass Bestecke allein in 62 Formen und 4500 Arten, vom kleinsten Salzlöffel bis zum grossen Suppenschöpfer, erzeugt werden.

Was den Absatz betrifft, so beschränkt er sich nicht auf das Inland allein. Das Halbfabrikat, Bleche und Drähte, wird an die metallverarbeitenden Gewerbe und Fabriken des Inlandes geliefert, geht aber auch nach allen Ländern Europas, nach Indien, China, Japan und Südamerika, das Ganzfabrikat nach allen Ländern der Erde. Insbesondere das Berndorfer Besteck ist nicht nur im kleinen Haushalte, im feinen Restaurant, im grossen Hotel, in den fahrenden Küchen und Speisesälen der Eisenbahnen und Dampfschiffe zu finden, sondern auch bei Hofe heimisch. Die Reinnickelgeschirre der Hofküchen in Lainz und Corfu, sowie das vollständige Tafelservice für die Manövertafel Sr. Majestät des Kaisers stammen aus Berndorf. Patronenhülsen wurden für Oesterreich-Ungarn und das Deutsche Reich geliefert. Ein grosser Theil der Lieferung für das letztere Land ist jedoch für die Wiederausfuhr bestimmt. Schliesslich sei erwähnt, dass aus der k. k. Kunsterzgiesserei in Wien in der kurzen Zeit ihrer Zugehörigkeit zu Berndorf nachstehende Denkmäler hervorgegangen sind:

Das Standbild des Dichters Grafen Fredro von Marconi für Lemberg, das Votivstandbild des Cardinais Fürsten Schwarzenberg von Myslbek für Prag, das Standbild des Bürgermeisters Petersen von Tilgner für Hamburg und das Kolossalstandbild Kaiser Wilhelm I. von Zumbusch an der Porta westphalica (ent­hüllt 18. October 1896).

Wohlfahrtseinrichtungen.

Welchen Vortheil die Einführung der Metallwaarenfabrication in Berndorf für Gemeinde und Landwirth- schaft im Allgemeinen im Gefolge hatte, wird weiter unten erwähnt werden. Hier soll nur jener Einrichtungen gedacht werden, welche die Firma zum Wohle ihrer Arbeiterschaft im Laufe der Zeit geschaffen hat.

Als erste Wohlfahrtseinrichtung entstand im April 1847 eine Arbeiterkrankencasse. Da es zu jener Zeit zwar im benachbarten Orte Pottenstein, nicht aber in Berndorf, einen Arzt gab, wurde, um diesem Mangel abzuhelfen, anfangs der Sechzigerjahre für Berndorf ein eigener Fabriksarzt bestellt; dadurch war nicht nur den Arbeitern der Fabrik, sondern auch der übrigen Bevölkerung Berndorfs ärztliche Hilfe nahe. Als das Krankenversicherungsgesetz in Wirksamkeit trat, wurde im Jahre 1889 die bestehende Krankencasse in eine Betriebscasse umgewandelt. Schon 1866, also vor der im Jahre 1889 eingeführten Unfallversicherungspflicht waren alle Arbeiter auch gegen Unfall versichert.

Neben der gesetzlichen Versicherung gegen Krankheit und Unfall geniessen die Arbeiter Berndorfs noch eine Alters-, Witwen- und Waisenunterstützung, für welche Zwecke die Fabrik allein die Mittel aufbringt. Die volle Unterstützung beträgt 75°/ 0 des der Krankenversicherung zu Grunde liegenden Wochenverdienstes, und sie erhält jeder Arbeiter, welcher 40 Jahre in Berndorf oder einer Zweigniederlassung beschäftigt war. Bei 20- oder 3 ojähriger Arbeitszeit beträgt diese Unterstützung die Hälfte oder 3 / + der vollen Unterstützung; die