sistirt, und daher standen die Capitalien fast ausschliesslich im Dienste der wirtschaftlichen Erfordernisse. Die Capitalsassociation hatte wesentliche Fortschritte gemacht; ganz besonders auf dem Gebiete der Industrie, wenngleich auch hier die Verzögerung der so dringend notwendigen Reform der Actien- gesetzgebung den Gang der Dinge verlangsamte. Ende 1898 finden wir 358 Industrie-Actiengesell- schaften verzeichnet, wovon 25 Bau- und Baumaterialien-Gesellschaften, 22 Berg- und Hüttenwerke, 17 Badeanstalten und Hotels, 50 Brauereien, Brennereien und Mälzereien, 3 Dampfmühlen, 7 Elektricitäts- werke, 14 Gasgesellschaften, 31. Maschinen- und Metallfabriken, 10 Papier- und Druck-Industrien, 27 Textil­industrie-Gesellschaften, 78 Zuckerfabriken und 74 diverse Industriegesellschaften. Das Actiencapital der­selben belief sich auf mehr als eine halbe Milliarde Gulden. Das Eisenbahnnetz Oesterreichs hatte eine bedeutende Ausdehnung erfahren, der grössere Theil desselben befand sich bereits im Staatsbesitz oder im Staatsbetrieb. Das Betriebsnetz der Staatsbahnen umfasste zu Beginn des Jahres 9612 Kilometer, und das in demselben investirte Capital belief sich auf 1198 Millionen Gulden. Die österreichischen Privat­bahnlinien, die selbstständigen Localbahnen hinzugerechnet, erstreckten sich auf 7085 Kilometer, das in denselben investirte Capital überschreitet 1400 Millionen, so dass der Gesammtaufwand für die öster­reichischen Eisenbahnlinien auf mindestens 2V2 Milliarden Gulden veranschlagt werden kann. Rechnet man nun den Aufwand für Banken- und Creditinstitute, für Industrie-Actiengesellschaften, Dampfschiffe, Tram­ways und sonstige Verkehrsmittel zusammen, so gelangt man im Ganzen und Grossen zu einer Summe von mindestens vier Milliarden Gulden, welche im Wege der Capitalsansammlung, allerdings auch mit kräftiger Unterstützung des ausländischen Capitales, beschafft worden sind. Dabei darf nicht über­sehen werden, dass die allgemeine Staatsschuld, für welche Oesterreich aufzukommen hat, 2757-4 Mil­lionen, die reine österreichische Staatsschuld aber 1470-8 Millionen Gulden zu Beginn des Jahres 1898 betrug und dass gleichzeitig an Pfandbriefen und Schuldobligationen der österreichischen Hypothekar- Institute allein 919 Millionen Gulden in Umlauf waren. Unter Hinzurechnung der bestehenden Landes-, Communal- und Corporationsschulden gelangt man somit mindestens zu der Riesensumme von zehn Milliarden Gulden mobiler Werthe österreichischen Ursprunges, deren jährlicher Zinsenertrag sich mit 460 bis 480 Millionen Gulden beziffern lässt.

Diese annähernde Berechnung gibt einen theilweisen Begriff von der Entwickelung, welche das Börsenwesen in den letzten fünfzig Jahren fand. Im Coursblatte der Wiener Börse vom 31. December 1898 finden wir verzeichnet: 10 Titres der allgemeinen, 33 der österreichischen Staatsschuld, 13 unga­rische Staatsschuld-Titres, 49 öffentliche Anlehen, 8 ausländische Staatswerthe, 65 österreichische Pfand­briefgattungen und Obligationen, 55 dergleichen ungarischer Provenienz, 71 Eisenbahnprioritäten, 25 sonstige Prioritätsobligationen, 37 Bankactien, 14 Versicherungsactien, 52 Transportactien, 84 Industrie- actien und 22 Lospapiere, zusammen 538 Positionen, wozu noch 12 Devisen und 15 Valuten kommen. Der gewaltige Fortschritt gegen das Jahr 1848 ergibt sich daraus von selbst. Jährlich werden nun an der Wiener Börse Milliarden von Werthen umgesetzt, sie bildet das Capitalsreservoir der Monarchie, den Rückhalt des öffentlichen wie des privaten Credites und der industriellen Entwickelung. Die Anfeindungen, welchen die Börse ausgesetzt ist, sind weniger gerechtfertigt denn je zuvor, weil ohne sie der hoch- entwickelte wirthschaftliche Organismus nicht functioniren könnte und weil der speculative Drang durch sie in die Bahn productiven Schaffens geleitet wird. Im Jahre 1875 autonom gestaltet, hat die Wiener Börse sich auch den allgemeinen Waarenverkehr angegliedert und demselben durch Feststellung von Usancen, durch regelmässige Preisnotirungen wie durch ihr Schiedsgericht erhebliche Dienste geleistet. Die Zahl der Börsen in Oesterreich hat sich auf 9 erhöht, und bestehen davon 2 in Wien, 2 in Prag und je eine in Triest, Graz, Linz, Czernowitz und Trautenau. Und nun zum Schlüsse noch einige wenige Ziffern, welche veranschaulichen sollen, welche gewaltige Entwickelung der Geld- und Creditverkehr in Oesterreich aus den bescheidensten Anfängen heraus erreicht hat. Die acht Wiener Hauptbanken hatten im Jahre 1898 einen Geschäftsumsatz von 28 Milliarden Gulden, abgesehen vom reinen Cassen- verkehr derselben. Die Gesammtoperationen der Oesterreichisch-Ungarischen Bank in Oesterreich allein beliefen sich im gleichen Jahre auf 2347 Millionen Gulden. Der jährliche Checkverkehr der k. k. Postsparcasse beläuft sich bereits auf 4V» Milliarden Gulden und hat seit dem Bestände der­selben über 31 Milliarden ausgemacht.

Wir haben dem Bilde, das wir von der Entwickelung des österreichischen Geld- und Creditwesens unter der segensreichen Herrschaft unseres vielgeliebten Kaisers Franz Joseph I. zu entwerfen bemüht

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