Industriezweigen, sondern auch auf vielen anderen industriellen Gebieten geltend und wirkte indirect durch erhöhtes Capital- und Creditbediirfnis auf den Geldmarkt zurück. Auch die Kohlenproduction stieg bedeutend, die Textil-Industrie nahm durch die Errichtung vieler neuer Baumwollwebereien und -Spinnereien einen grossen Aufschwung, und nach allen Richtungen hin trat erhöhtes industrielles Leben zu Tage. Industrieactien wurden die Favoritpapiere der Börse und erwies sich deren Menge für den Bedarf der Anlage wie der Spekulation als ungenügend, während anderseits die capitalsfeindliche Strömung, welche im öffentlichen Leben und in der Gesetzgebung nach Geltung rang, die Befreiung der Capitals« association von den ihr aufgelegten Fesseln verhinderte. Ende 1895 finden wir in Oesterreich 325 in­dustrielle Actiengesellschaften, während es deren in Ungarn zur gleichen Zeit allerdings bereits 485 gab, so dass wir in dieser Beziehung, wenn auch nicht der Bedeutung, so doch der Zahl nach weitaus überflügelt waren. Nicht eine einzige neue Bank von Bedeutung war in dieser Zeit entstanden, wenn von der 1895 begründeten Landesbank für Bosnien und die Herzegowina abgesehen wird. Mit dem 1894 über Initiative des Niederösterreichischen Gewerbevereines ins Leben gerufenen Wiener gewerb­lichen Creditinstitut wurde allerdings der Versuch gemacht, den kleineren Industriellen und Gewerbe­treibenden eine directe Creditquelle zu eröffnen, die Unzulänglichkeit des Betriebscapitales beeinträchtigte aber den Erfolg wesentlich. Nur die Zahl der österreichischen Sparcassen war auf 459 gestiegen, indes waren von den 1524 Millionen Gulden Einlagen derselben noch weniger als fünf Jahre vorher, nämlich nur 48-4 Millionen im Escompte verwendet. Die Filialen und Nebenanstalten der Bank hatten in Oester­reich keine Vermehrung erfahren, auch der Durchschnitt der Notencirculation sank durch die begonnene Einziehung der Staatsnoten unter den Durchschnitt der früheren fünfjährigen Periode. Der Bankzinsfuss stand Ende 1895 durch eingetretenen steuerpflichtigen Notenumlauf auf 5 Procent, und überhaupt hatte der stark gewachsene Capitalsbedarf bei unzulänglichen Circulationsmitteln die Ermässigung des durch­schnittlichen Geldpreises wieder aufgehoben und den Conversionen ein Ende gemacht. Das Jahr 1892 hatte die Währungsgesetze, nämlich die Einführung der Goldkronenwährung gebracht; spätere Gesetze regelten die Einziehung der Staatsnoten, die Tilgung der schwebenden Staatsschuld wie der Bankschuld und die Modalitäten der für einen späteren leider noch immer nicht eingetretenen Zeit­punkt in Aussicht genommenen Aufnahme der Baarzahlungen. Damit wurde in den Geld- und Credit- verhältnissen der Monarchie eine grundlegende Umwälzung vollzogen, deren Vor- und Nachtheile für jeden einzelnen Producenten sich erst künftig feststellen lassen werden. Inzwischen ist lediglich das Disagio unserer Währung nach unten festgelegt worden, doch muss anerkannt werden, dass es den gemeinsamen, insbesondere aber den Anstrengungen und der Opferwilligkeit der Oesterreichisch-Ungarischen Bank bis­her gelungen ist, auch ein wesentliches Steigen desselben nach oben zu verhindern. Sind einmal die Hindernisse, welche der thatsächlichen Aufnahme der Baarzahlungen entgegenstehen, hinweggeräumt, dann wird allerdings die Zinsfusspolitik der Bank stets von der Rücksicht auf den Schutz des Goldvorrathes beeinflusst werden, und die Zinsfussschwankungen, mit welchen insbesondere die industrielle Production zu rechnen haben wird, dürften viel häufigere sein als in der Vergangenheit. Mit dieser Bemerkung wollen wir auch das Capitel der denkwürdigen, aber noch lange nicht gelösten Währungsfrage in Oesterreich schliessen.

Das Ende des Jahres 1898 bezeichnet zugleich den Abschluss der Periode, welche wir zu besprechen versucht haben. Das Geld- und Creditwesen des Reiches zeigt im Ganzen und Grossen eine befriedigende Entwickelung, wenn es auch noch viele Lücken besitzt, die ausgefüllt werden müssen. Mit dem gedachten Zeitpunkte gab es in Oesterreich 63 grössere Geld- und Creditinstitute, wovon 22 in Wien. Die letzteren verfügten über ein eingezahltes Actiencapital von 301-7 Millionen Gulden und 108-1 Millionen Gulden Reserven, alle zusammen über ein eigenes Betriebscapital von 498-2 Millionen Gulden. Ausserdem bestanden 502 Sparcassen mit mehr als 1700 Millionen Gulden Einlagen, ferner 167 Credit- und Vorschussvereine. Die Oesterreichisch-Ungarische Bank hatte in Oesterreich 34 Filialen und 66 Bank­nebenstellen, am 31. December 1898 waren von ihren Mitteln 258-5 Millionen Gulden im Escompte verwendet, und die Notencirculation an Bank- und Staatsnoten belief sich auf 856 Millionen. Der officielle Bankzinsfuss stand allerdings wieder auf 5 Procent, doch war dies nur eine Folge der precären Situation des Devisen- und Valutenmarktes, und eine baldige Ermässigung war zu erwarten. Im All­gemeinen fand das Creditbedürfnis von Industrie und Handel leichte Befriedigung zu Sätzen, die sich nahe am Bankzinsfuss hielten. Seit langer Zeit waren die Creditoperationen für Rechnung des Staates

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