AND. SEID!

BIERBRAUEREI

LICHTENEGG BEI WELS.

n der Geschichte der österreichischen Brau-Industrie zeigt sich die auffällige Erscheinung, dass, während die Bierproduction in stetiger und ausgiebiger Steigerung begriffen ist, die Zahl der Braustätten sich allmählich, jedoch unaufhörlich vermindert; dieser Process, welcher in den Fünfzigerjahren beginnt und heute noch nicht abgeschlossen ist, muss aus den gewaltigen Aenderungen, welche sich im Brauerei­wesen ergeben haben, erklärt werden. Die moderne Erzeugungsweise, gestützt auf die grossen Errungen­schaften der Chemie und Technik, fand immer mehr in den Betrieben Eingang, und diejenigen Brauhäuser, welche dem Fortschritte nicht Rechnung trugen, wurden bald durch die der Neuzeit entsprechend ausgerüsteten, weit leistungsfähigeren Etablissements verdrängt, welch letztere hinwiederum ihre Erzeugungsziffer stetig erhöhten. Die zahlreichen alten Brauereien mussten sich somit entweder den geänderten Verhältnissen anpassen, oder sie waren gezwungen zu weichen. Viele, auf lange Jahre ihres Bestandes zurückschauende Erzeugungsstätten traf dieses harte Los.

Zu jenen Brauereien, welche unter sicherer Führung den Uebergang von den alten Formen zum modernen Brausystem glücklich durchgemacht haben, zählt die Lichtenegger Brauerei, welche sich im Besitze von Andreas Seidl befindet.

Als Andreas Seidl vor zwei Decennien dieses seit mehr als hundert Jahren bestehende Industrieunternehmen, mit dem auch eine kleine Mühle in Verbindung steht, von Alois Schmirdorfer übernahm, repräsentirte sich dasselbe als eine einfache Landbrauerei, die allerdings schon zu den grösseren Betrieben ihrer Kategorie gehörte, indem ihre Production die für die damaligen Verhältnisse nicht unansehnliche Ziffer von 9000 Eimern erreichte. Der Betrieb wurde jedoch noch in der herkömmlichen Weise geführt, die weitgehenden Vervollkommnungen desselben, die inzwischen in zahl­reichen anderen Etablissements Eingang gefunden hatten, waren noch nicht zur Anwendung gelangt.

Andreas Seidl, der neue Besitzer, war von vorneherein bestrebt, der Production die dem damaligen Stande der Zymotechnik entsprechende Gestalt zu geben und in dieser Richtung den übernommenen Betrieb auszugestalten und zu erweitern. Die für die einzelnen Stadien des Biererzeugungsprocesses erforderlichen zeitgemässen Apparate und Werksvorrichtungen wurden angeschafft; die Dampf kraft, ein wichtiger P'actor bei der Reform des Brauwesens, hielt ihren Einzug und fand noch eine werthvolle Ergänzung in der Wasserkraft, welche der Welser Mühlbach bot. Ein besonderes Augenmerk wurde auf die Anlage vollkommen zweckentsprechender Gähr- und Lagerkeller gerichtet, deren Beschaffenheit für die Qualität des erzielten Prcductes von ausschlaggebender Bedeutung ist. Hieher gehört auch die Verbesserung der Eisgewinnung, welche in die Zeit der Wirksamkeit Andreas Seidls fällt. Nicht mindere Sorgfalt wurde der Ausstattung der zum Etablissement gehörigen Fassbinderei gewidmet.

Die erfolgreiche Reformthätigkeit Andreas Seidls kam bald in einer befriedigenden Ausdehnung des Geschäfts­verkehres zum Ausdrucke. Das in seiner Qualität bedeutend verbesserte Erzeugnis fand eine immer lebhaftere Nachfrage, und so war es möglich, die Production stetig zu vergrössern, so dass dieselbe gegenwärtig bereits über 18.000 Hektoliter pro Jahr beträgt. Die ganze Umgebung von Wels deckt ihren Bedarf bei der Lichtenegger Brauerei, die wohl auch in Zukunft eine aufwärtsschreitende Entwickelung zu gewärtigen hat.

Vollkommene technische Ausstattung, ein treffliches Product, reelle Geschäftsgebahrung und nicht zuletzt das gute Einvernehmen des Brauherrn mit seinen zum Theile schon langjährig wirksamen Mitarbeitern reihen die Lichtenegger Brauerei, wenngleich sie nur zu den Betrieben mittlerer Grösse zählt, würdig in die hochentwickelte österreichische Brau-Industrie ein.