XXXV
schaftspolitischer Interessen, welches durch den Hinzutritt der Schweiz, Belgiens und Hollands im Westen und Polens und Lithauens im Gsten glücklich abgerundet werden würde. Solchem Ziele scheint in der That die mitteleuropäische Entwickelung zuzustreben, nicht nur an den Quellen und Mündungen des Rheins, sondern sogar in Rußland selbst, wo der Gedanke einer Binnenzollgrenze von der Düna bis zum Dnijester in der Absicht ausgeworfen worden ist, die zurückgehende, unter ganz anderen Produktions- und Konsumtionsverhältnissen arbeitende altrussische Industrie vor der halb ausländischen Konkurrenz namentlich in polen und den Gstseeprovinzen angemessener zu schützen. Stehen somit Polen und Lithauen mit ihrer verkehrsbegünstigten Industrie der harmonischen wirthschastlichen Entwickelung des russischen Reiches hinderlich im Wege, so würden sie in wirthschastspolitischer Annäherung an ihre natürlichen Vorländer mit Königsberg, Danzig, Stettin und Breslau nicht nur selbst noch besser gedeihen, sondern auch zur ersprießlicheren Entwickelung dieser jetzt im Rückgänge befindlichen Hinterlandlosen Plätze wie des mitteleuropäischen Interessengebietes überhaupt wirksam beitragen. Inmitten desselben würde namentlich Breslau als ein zukünftiger Hauptpunkt des oft-westeuropäischen Verkehrs aus seiner Stagnation gerissen und zu neuer Blüthe gebracht werden können.
Wollen die mitteleuropäischen Staaten sich ihre wirthschastliche und hiemit zugleich ihre politische Lebensfähigkeit und Selbständigkeit sichern, so müssen sie sich zielbewußt zusammenschließen und nach den neuen Formen streben, unter welchen ohne Verletzung nationaler Empfindungen oder staatsrechtlicher Thatsachen jenes große gemeinsame Interessengebiet hergestellt werden kann. Durch seine natürliche Lage im Herzen Europa's mit ihrer wirthschaftspolitischen Bedeutung ist Deutschland zur führenden Stellung inmitten dieses Interessengebietes berufen.
In dem wirthschaftspolitischen Konkurrenzkampf der europäischen Staaten um den Orient tritt die Gemeinsamkeit der Interessen dieses mitteleuropäischen Wirthschaftsgebietes noch erkennbarer hervor, indem die Interessen desselben mit denen der Westmächte sich überall kreuzen, während sie sich nicht nur unter, einander, sondern auch mit denen der Orientländer freundlich begegnen oder vollkommen decken.
Von dem Gesichtspunkte einer großen, die politischen und nationalen Grenzen weit überschauenden Wirthschaftspolitik aus betrachtet, ist die Stellung Europas zum Grient klar zu erkennen und sicher zu beurtheilen. Seit langer Zeit lag der Grient im Verfall, fern und unbeachtet von Europa, bis ihn die Engländer und Franzosen in ihre wirthschastlichen, die Russen in ihre politischen Interessenkreise zogen.