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Nach dem Orient! : Donauwärts - die Orientbahnen - zur See
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Die französische Konkurrenz.

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In dem Aampfe gegen Marseille hat Genua auf den ganzen und wirksamen Beistand des Deutschen Reiches oder vielmehr des deutschen Handels mit Sicherheit zu rechnen, wenn es seinerseits dem­selben meistbegünstigend entgegenkommt.

Schon bald nach Eröffnung der Gotthardbahn wußte das öster­reichisch-ungarische Aonsulat in Marseille über die Rückwirkungen dieses Ereignisses zu Gunsten Genua's zu berichten. Schiffsladungen mit nach der Schweiz bestimmten Eerealien und nach München verkauften Moll­ladungen wurden von Marseille ab und nach Genua dirigirt. Be­deutende Marseiller Häuser, welche Fruchthandel betreiben, lassen die Ladescheine für Aörner levantinischer Herkunft bereits auf den Einlaufs- hafen von Genua ausstellen, wenn ihre Endbestimmung Deutschland oder die Schweiz ist etc.

Wie Marseille mit Genua, so führt die reiche französische jDaris LyonMittelmeer-Eisenbahn einen heftigen Aonkurrenzkampf mit der Gotthardbahn. Um der Gotthardbahn die Spitze zu bieten und es namentlich zu verhindern, daß die großen Getreidefrachten von Mar­seille und ihren Strecken abgelenkt und nach Genua auf die Gotthard­bahn geführt werden, hat sie im Verein mit den interessirten schweizerischen Bahnen in: Mai 1883 auf der Strecke Zwischen Marseille und den schweizerischen Hauptplätzen die nämlichen Tarife eingeführt, welche von diesen Plätzen und Genua über die Gotthardbahn bestehen, so daß durch sie die Tonne Getreide von Marseille nach Zürich ebenfalls wie von Genua nach Zürich um 52,49 Frcs. verfrachtet wird, obwohl Zürich von Genua nur 5s6 km, von Marseille aber 807 i<m entfernt ist. In Folge dessen hat der Getreidehandel Genua's nach der Schweiz nicht jenen Aufschwung genommen, welcher nach der Abkürzung des Weges durch die Gotthardbahn in Aussicht zu stehen schien, und selbst in der Ostschweiz kann Genua gegen Marseille kaum erfolgreich kon- kurriren. In einem Schreiben vom 21. September 1883 an den Minister der öffentlichen Arbeiten hat die Handelskammer von Genua auf diese Aebelstände hingewiesen und um Abhülfe derselben durch entsprechende Tarifreformen ersucht, damit nicht länger durch eine un­natürliche Tarifpolitik der vereinigten französischen und schweizerischen Bahnen in der Getreideversorgung der Schweiz Marseille die Herrschaft behalte, obfchon doch seit Eröffnung der Gotthardbahn Genua hiefür der nähere und natürliche Hafenplatz geworden ist.

Es ist bemerkenswerth, daß unausgesetzt an die Erbauung neuer Alpenbahnen gedacht wird. So wurde Anfang 1885 über zwei Gesellschaften in Turin berichtet, von denen die eine den St. Bern­hard durchstechen will, um in Aonkurrenz mit der Gotthard-