Neue Alxeubahnprojekte.
Oesterreichs eigenem Interesse liegt, den bisher unterschätzten oder wohl gar mißgünstig betrachteten Verkehr Deutschlands mit dem Grient über die österreichischen Grenzen zu leiten und mit österreichischen Transportunternehmungen zu befördern. Bisher hatte man sich in Oesterreich nach dieser Richtung hin große Versäumnisse zu Schulden kommen lassen, so daß Aarl von Scher zer, der österreichische Generalkonsul in Leipzig, schon 1875 warnte: „Deutschlands Handel nach der Levante geht in jüngster Zeit nicht mehr wie sonst über Oesterreich, sondern über Italien und sogar über England". Außerdem ist doch auch in Betracht zu ziehen, daß die j)redil-Tauernlinie als kürzeste zwischen Deutschland und Trieft nicht allein vorn Standpunkte des deutschen, sondern auch von dem des österreichischen Exporthandels zu begünstigen ist, welch' Letzterer dadurch in die Lage kommt, auch Oesterreich und Süddeutschland gegenüber Hamburg und Brenren mit überseeischen Artikeln von Trieft aus zu versorgen. In der Sitzung der Wiener Handelskammer vorn 28. September 1882 wurde zwar ein Antrag, die Ablehnung des Tauernbahnprojektes noch schärfer zu formuliren, mit H gegen sO Stimmen verworfen, die Ablehnung selber aber schließlich doch ausgesprochen.
Wie auch aus der schätzbaren Arbeit des Herrn Bezirkskommissärs H. Stöckl (in den „Mittheilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins" vom Jahre s883) hervorgeht, können für die Herstellung einer Tauernbahn nur folgende Richtungen in Betracht kommen:
I. Radstadt (St. Michael im Lungau) — Spittal a. d. Dran;
II. Eben (St. Michael i. L.) — Spittal a. d. Drau;
III. St. Johann i. H>ongau (Großarl- u. Maltathal) — Spittal a. d. Drau;
IV. Schwarzach (Gastein-Malnitz) — Sachsenburg;
V. Taxenbach (Rauris-Fragant) — Sachsenburg.
Als annehmbarste dieser Richtungen würde die vierte, zugleich den bekannten Badeort Gastein in den Verkehr ziehende Linie zu bezeichnen sein, da sie mit 70,6 km die kürzeste ist, einen niedrigen Aebergang und kleinen Tunnel erfordert und somit die geringsten technischen Schwierigkeiten und die verhältnißmäßig niedrigsten Rosten verursacht.
In der Erkenntniß, daß die Brennerbahn neben der nördlichen Zufahrtslinie über Aufstein noch eine weitere in nordwestlicher Richtung für die Heranziehung des südwestdeutschen und rheinischen Verkehrs bedürfe, hatte zuerst die österreichische Regierung die Erbauung einer Eisenbahn von Innsbruck aus dem Innthal über den Fernpaß in das Lechthal nach Aempten angeregt und erörtert, ohne indeß mit diesem Projekt bei der bayerischen Regierung ein Entgegenkommen zu