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So wenig sich der Städter Egyptens in seinen Sitten und Gebräuchen und in seinem Charakter von dem Fellah unterscheidet, so sehr unterscheidet sich der Türke von Beiden. Jene gehören einer und derselben Nation an, haben eine Sprache, ein Land zu ihrer Hkimath und sind von Jugend auf so oft mit einander in enge Berührung gekommen, daß ein Unterschied zwischen Beiden zwar bemcrklich, aber nicht auffallend ist. Nicht leicht aber gibt es zwei durch einen und denselben Glauben vereinigte Nationen, welche in allein Anderen so unendlich von einander abweichen, als die Türken von den Egyptcrn. Die Ersteren stehen in jeder Hinsicht hoch erhaben über den Letzteren. Sie hassen sich gegenseitig, weil sie sich nie wirklich verbinden können. Der Türke zeichnet sich bei der ersten Begegnung durch zwei Eigenschaften, Stolz und Ehrgefühl, sogleich Vortheilhaft vor dem Egypter aus. Man sollte nicht meinen, daß diese zwei Tugenden — denn hier sind es Tugenden — wenn ein Volk sie besitzt oder nicht besitzt, so ganz den Charakter desselben verändern können. Und doch suche ich gerade in ihnen hauptsächlich die Verschiedenheit beider Nationen. Der Türke besitzt Stolz und Ehrgefühl und ist deshalb großer Tugenden fähig, welche der Araber gar nicht oder nur gezwungen ausübt. Ob der Erstere dem Letzteren an Gcistcsfähigkeitcn überlegen oder einer größeren geistigen Ausbildung fähig ist, möchte ich bezweifeln; ich glaube, dieser hat eben so gute Anlagen, wie jener. Ein Türke von altem Schrot und Korn muß uns als ein sehr edler, braver Mensch erscheinen, wenn nur uns in seine Verhältnisse hincindcn- ken. Er hat noch alle ritterlichen Tugenden unserer Vorfahren aus dem Mittelalter, ist patriarchalisch gastfrei, muthig, tapfer, treu, religiös, fast fanatisch, mildthätig, freigebig, ehrlich, wahrheitsliebend, gegen seine Diener und Sklaven ein strenger, aber gerechter Herr, seinem Beherrscher ein treuer Unterthan, seinem Freunde ein wahrer Freund, seinen Kindern ein guter Vater. Aber er hat auch viele Laster und Fehler an sich, wenigstens in unseren Augen, denn er ist herrschsüchtig, ehrgeizig, oft raublustig, wollüstig, grausam, manchmal tyrannisch, anmaßend und rachsüchtig, kurz, er ist ein Mensch, dessen natürliche Anlagen noch nicht durch allgemein