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Zweiter Theil
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und brachten mir seltene und schöne Vogel haufenweise. So führte ich ein für einen Naturforscher höchst genußreiches Leben in dem elenden Fischerdorfe.

Am 8. April. Wie ganz anders feiert man doch ein Fest in der lieben Heimath, als in fremdem andersgläubigen Lande! Beinahe die ganze Christenthcit feiert heute einen der festlichsten Tage des Jahres. In allen Städten tönen die ernsten Glocken- schlägc, die Tempel öffnen ihre heiligen Hallen, Tausende und Millionen beten heute dasselbe Gebet, tausend Priester bringen in allen Sprachen dem knicendcn Volke die frohe Kunde: Christ ist erstanden! Uns läutet keine Glocke, uns öffnet sich keine Kirche, wir hören heute keine Ostcrprcdigt. Und alle die Hunderte von Menschen, welche kalt und theilnahmloS an uns vorüberziehen, sie ahnen nicht, warum wir heute gerade ernster sind, als sonst. Sie wissen ja nicht, daß wir heute zu Ehren desNazarcners", den auch sie als Propheten Gottes hochheilig halten, ein hohes Fest begehen. Darum hinaus aus dem beengenden Stübchen, aus den finsteren Gäßchcn des Dörfchens, hinaus in Gottes erhabensten Tempel, hinaus in die heilige Natur!

Und siehe, sie hat sich mit ihrem schönsten Kleide geschmückt! Wie herrlich leuchtet die Sonne von dem unbewölkten, hohen, dun­kelblauen Himmelsdome herab auf die grünenden Fluren, herab auf die schon unter der Fülle des Segens zur Erde gebeugten, körner- schweren Achren der Waizcnfcldcr! Alles athmet Leben und Fröh­lichkeit, über Egyptens Gefilde hat der lachende Frühling sein Ge­wand gebreitet, aber der Frühling Egyptens. Balsam haucht uns die Flur entgegen; balsamische Blüthcndüftc entströmen den Maulbeerbäumen und blühenden Sykomoren, Balsam verbrei­ten die zahllosen Blumen, deren Kelche die schönsten Schmetter­linge umschwärmen. Hat denn heute Alles sich verändert? War­um finden wir denn heute gerade Alles doppelt so schön, wie frü­her? Warum hörten wir denn früher nicht auf den melodischen Sang der Haubenlerche, welche über den der Sichel cntgegenhar- rrnden Gerstenfcldcrn hcrumschwebt, mit unseren heutigen Gefüh­len? Weil wir hinausgetreten sind auf die Flur, um auf ihr