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Die Groß-Industrie Oesterreichs : Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 ; Vierter Band
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Wie dem immer sei, vorläufig hatte die Gestattung dieses Veredelungsverkehres die wohlthätige Folge, dass sich die Stickerei, namentlich in den Rheingemeinden, wie Lustenau, Höchst, Altach, Mäder, Hohenems bis in den Bregenzer Wald hinein, in grossem Maassstabe ausbreitete. Die Abhängigkeit von der Schweiz blieb dieselbe, und bis auf einige Regungen der Selbstständigkeit, welche in das Jahr 1820 fallen, aber zu keinem nennenswerthen Erfolge führten, nahm die Handstickerei-Industrie ihren ruhigen Fortgang, bis sie in Folge der amerikanischen Krise vom Jahre 1857 einen Stoss erhielt, von dem sie sich nicht mehr erholen konnte, da gerade in diese Zeit die Verwerthung der Plattstich-Stickmaschine fällt, welche für die ganze Industrie eine totale Umwälzung hervorbringt.

Bevor wir davon sprechen, ist es nothwendig, ganz kurz die verschiedenen Arten, in welchen die Stickerei betrieben wird, zu skizziren.

Man unterscheidet die Kettenstich-, die Plattstich- und die Schiffchen- oder, um bei dem üblichen Dialectworte zu bleiben, die Schifflistickerei.

Bei der Kettenstichstickerei wird ein endloser Faden mittelst eines Häkchens Crochet, daher der besonders in der Schweiz gebrauchte Ausdruck »Crochetstickerei«, in sich selbst verschlungen, und zwar geschieht dies entweder von der Hand auf dem Stickrahmen oder Tambour (Tambourirstickerei), oder mittelst der einnadeligen Kettenstichstickmaschine, die fast gleichzeitig um das Jahr 1865 von dem Me­chaniker Schatz in Weingarten und von Bonnaz in Paris erfunden wurde; Letzterer überliess seine Er­findung dem Mechaniker Cornöly, so dass die Maschine bald Bonnaz-, bald Cornelymaschine genannt wird. Die Maschine, die auf dem Princip der Nähmaschine beruht und ihr auch äusserlich ähnlich sieht, wird durch ein Pedal angetrieben, während die Hand die Führung des Stoffes nach Maassgabe des Dessins besorgt. Die Maschine, deren Einführung namentlich wegen ihres ursprünglich hohen Preises auf Schwierig­keiten stiess, ist quantitativ sehr leistungsfähig. Sie verarbeitet täglich drei Schneller, das sind 2300 Meter Garn, doch bringt es eine geschickte Stickerin selbst auf 4 4V2 Schneller. Die Kettenstichstickmaschine wird hauptsächlich mit leichter Mousselinestickerei und der gröberen Guimpure-Application beschäftigt. Auch Tüll wird in der Kettenstichstickerei, die im Munde des Volkes Grobstickerei genannt wird, vielfach ver­wendet. Hauptsächlich werden drei Artikel erzeugt: Vorhänge, die sogenannten Colonnen und Specialitäten. Für Vorarlberg sind nur die beiden ersten von Wichtigkeit. Die Zahl der Kettenstichmaschinen in Vorarlberg beträgt über 3000, und wird insbesondere die Vorhangstickerei im Bregenzerwald schwunghaft betrieben, der aus dieser Industrie einen noch viel intensiveren Erwerb ziehen könnte, wenn er nicht so lange schon jeder bequemen Communication entbehren würde, so dass, wie uns ein Schweizer Fabrikant mittheilt, die Fracht von St. Gallen nach Calcutta nicht viel höher kommt als in den Bregenzerwald. Hoffentlich bringt die geplante Bregenzerwald-Eisenbahn auch hier bald Wandel zum Bessern. Der St. Gallener Markt in Stores, Vitragen und Lambrequins wird zum grossen Theil durch den Bregenzerwald versorgt, und stand insbesondere in der ersten Hälfte der Siebzigerjahre die Vorhangstickerei in voller Blüthe.

Eine ungeheure Umwälzung erfuhr die Stickerei-Industrie mit der Erfindung, beziehungsweise mit der Einführung der Plattstich- oder Feinstickmaschine. Josua Heilmann erfand sie 1828, allein die ersten Erfolge waren nicht besonders ermuthigend. Die Versuche, die mit den Maschinen gemacht wurden, scheiterten zunächst; am längsten, bis 1844, wurde in Wien auf zwei Stickstühlen gearbeitet, aber auch hier gab man entmuthigt den Betrieb auf, und erst nach vielen langwierigen Bemühungen, bei denen sich namentlich das St. Gallener Haus Rittmeyer auszeichnete, gelang es, unter Beibehaltung des Heilmannschen Principes, solche Verbesserungen anzubringen, dass die Maschinenstickerei den Charakter der Curiosität verlor. Die Stickmaschine, die im Laufe der Zeit noch vielfache Ergänzungen und Verbesserungen durch Hinzufügung besonderer Apparate, wie des Feston-, des. Stüpfel-, des Soutache- und anderer Apparate, erfuhr, hat nach Ueberwindung der ersten Schwierigkeiten rapid Eingang gefunden, insbesondere als in den Sechzigerjahren, nach Beendigung des amerikanischen Bürgerkrieges, Nordamerika als erster und haupt­sächlichster Consument auf den Markt trat.

Die Plattstichmaschine ist zu complicirt, um uns hier in ihre detaillirte Beschreibung einlassen zu können. Der Hauptsache nach besteht sie aus drei Theilen, dem Rahmen, an welchem das zu bestickende Zeug gespannt wird, den Nadeln und einem Apparat, welcher die Nadeln ergreift, durch das Zeug sticht und mit dem Faden durchzieht, also die Hand des Arbeiters ersetzt. Die Stickmaschine, deren gewöhn­liche Breite 4-6 Meter beträgt, arbeitet heute mit einer grossen Anzahl Nadeln (308 bei der 4 A-Maschine), die entweder in einer Entfernung von 1 (Vj-Rapport) oder 1V2 (°/ 4 -Rapport) französischem Zoll von einander