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denkens." Diese Lesebüchlein mit ihrem schmutzgrauen Löschpapicr, welche über ein halbes Jahrhundert im Pensionate im Gebrauche waren, muthen uns heutzutage gar seltsam an. Sie bieten aber im ganzen vorzügliche Stoffe, die das Gemüth bilden, die Auf­merksamkeit erregen, den Verstand schärfen. Drei dieser Theile ent­halten Leseübnngsstücke, der vierte bringt zu Handen des Lehrers die Anweisung, wie die Vorübungen zu behandeln sind.

Was die Lesestücke anlangt, so findet man Merkwürdigkeiten der Natur, nämlich Lesestücke aus dem Thier-, Pflanzen- und Mineralreiche, aus der Erd- und Menschenkunde, Lehren und Bei­spiele, Fabeln und Erzählungen, Schilderungen der Sitten und Gebräuche der verschiedenen Völker des Erdballes, Sprüche und Sprichwörter, aber auch Lesestücke zur Erwerbung gemeinnütziger Kenntnisse, wie über die Vaterrechte bei den verschiedenen Völkern, über die Aufnahme unter ein Volk, über den Ehestand.

Sulzers Vorübungen zielen vorzugsweise auf das Nützliche, Nothwendige und Praktische ab. Sie sind vorwiegend in Prosa abgesasst, in ansprechender, leicht verständlicher, oft auch nüchterner Sprache. Poetisches enthalten sie wenig: einige Fabeln von Geliert, das Lied vom braven Manne, die seltsamen Menschen, der Pater und die drei Söhne und etwa 30 Seiten philosophischer Betrach­tungen; aber keine der schwungvollen Oden Klopstocks, keines der tief empfundenen Lieder Goethes, keine der bezaubernden Balladen Schillers hat Ausnahme gefunden.

Die Anweisung, welche zeigt, wie der Lehrstoff recht frucht­bringend zu gestalten fei, darf mit Fug und Recht dein Besten beigezählt werden, was seit den Tagen Jckelsamers *) in dieser Richtung geschrieben worden ist.

*)Die rechte weis auffs kürtzist lesen zu lernen." 1534. Vergl. Heinrich Fechner,Bier seltene Schriften des 16. Jahrhunderts. Berlin. 1882. Wiegandt und Grieben."