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Sulzer geht von dem Standpunkte aus: Die zwei großen Fehler, die bei dem Leseunterrichte begangen werden, bestehen darin, dass man wenig lernt und dieses Wenige mit großer Mühe und starkem Ekel bezahlt. Nichts als das Gedächtnis wird geübt, die genaue Beobachtung, das Nachdenken, die Beurtheilung des Wahren und endlich die Empfindung des Schönen und Guten werden fast ungeübt, unbearbeitet gelassen. Wie thöricht, meint Sulzer, einen Wortkram für Wichtiges zu halten! Und doch gilt in den unteren Schulclassen oft derjenige Schüler als der beste, der einem dummen Papagoy am nächsten ist".

Um diese Gebrechen zu heilen, schlügt Sulzer vor:

Wenn der Schüler auf der Stufe angelangt ist, dass er jedes Wort den Buchstaben nach geläufig ansfprechen kann, dann ist eine der ersten Übungen die Bildung der Stimme und der Aussprache. Jeder Silbe den richtigen Ton zuzumessen, ist das Haupterfordernis alles Lesens. Man muss wohl unterscheiden, dass beispielsweise die Silbe den in Benjamin ganz anderen Toll hat als in dem Worte leben. Für die verschiedenen Klangfarben der Silben ist das Ohr des Schülers empfänglich zu machen. Was von der einzelnen Silbe in Rücksicht auf die andern eines Wortes gilt, das gilt in gleichem Sinne von den Wörtern im Satze und von den Sätzen in der Rede.

Zuerst übe man, dass deutlich gelesen werde: dann wähle man Übungsstücke, wo das Interessante darzustellen ist, und später erst solches, was mit Assect zum Ausdrucke kommen muss.

Alles das lernt der Schüler am besten durch des Lehrers Beispiel, durch Borlesen.

Die Aufmerksamkeit durch Besprechung und Gliederung des Inhaltes wecken ; bei der Wiedergabe des Gelesenen nichts Falsches, nichts Halbgesagtes, nichts Zweideutiges, nichts Weitschweifiges, nichts Pöbelhaftes in dem Ausdrucke dulden, sondern kurz, mit den richtigsten Redensarten jede Sache erzählen lassen; durch Kreuz-