JOSEF PRIEBSCH

JUDENDORFER CEMENTFABRIK

JUDENDORF.

ächst der ungefähr zwei Wegstunden von Graz entfernten Ortschaft Judendorf wurde im Jahre 1868 von der Firma Ignaz Walter & Co. die daselbst an einem Seitenarme des Murflusses gelegene und mit Turbinenbetrieb versehene Kreidemühle angekauft und in eine Cementfabrik umgestaltet.

Für die Wahl dieses Platzes sprachen einerseits die billige grössere Wasserkraft, anderer­seits die Nähe der Südbahnstation und der Landeshauptstadt, wodurch für die Transportkosten der fertigen Waare ausserordentlich günstige Bedingungen in Aussicht standen. Hiebei musste freilich die grössere Entfernung der Rohmateriallager, welche sich einige Kilometer abseits in der Gegend von St. Bartholomä an der Lieboch befanden, als geschäftlich etwas abträglicher Factor mit in den Kauf genommen werden.

Im vorgenannten Gemeindegebiete finden sich, zwischen Sandsteinschichten eingelagert, mächtige Bänke eines sehr feinkörnigen Kalkmergels, welche sich in geologischer Hinsicht als sogenannte Gosauablagerungen, wie man die alpinen Kreidegebilde zu bezeichnen pflegt, charakterisiren.

Ignaz Walter, welcher sich als ehemaliger Hörer der Pfibramer Bergakademie die nöthigen technischen Kenntnisse erworben hatte und nunmehr mit grosser Umsicht und Energie das junge Unternehmen leitete, gelang es in verhältnismässig kurzer Zeit, einen guten, für alle möglichen Bauwerke brauchbaren Roman-Cement herzu­stellen und sich ein ziemlich ausgedehntes Absatzgebiet zu sichern.

Mitte der Siebzigerjahre machte Walter seine ersten Versuche zur Erzeugung von Portland-Cement, wozu ihm die inzwischen in St. Bartholomä entdeckten hochkalkigen, in chemischer und physikalischer Hinsicht un- gemein gleichmässig zusammengesetzten Mergelsorten Veranlassung gaben.

Anfangs in den bescheidensten Grenzen, erzielte Walter einen alljährlich sich steigernden Erfolg auch für den Verkauf von Portland-Cement. Doch war es ihm leider nicht gegönnt, den wohlverdienten Lohn für diesen mit grossen Unkosten ins Leben gerufenen neuen Betriebszweig zu ernten, da er schon Anfangs des Jahres 1882, inmitten seines regen Schaffensdranges, vom Tode ereilt wurde.

Die Fabrik wurde nunmehr im folgenden Jahre von dem jetzigen Inhaber Josef Priebsch käuflich über­nommen und im Sinne des strebsamen Vorgängers mit von Jahr zu Jahr wachsenden Erfolgen weitergeführt.

Das Hauptaugenmerk wurde der Erzeugung von Portland-Cement zugewendet, und es war durch sorgfältige Auswahl des Rohmateriales und eine technisch fachgemässe Behandlung beim Brennen und Vermahlen nicht allzu schwierig, diesem Producte bald einen guten Ruf und einen flotten Absatz zu verschaffen. Heute werden in der Judendorfer Fabrik jährlich nahezu 100.000 q grösstentheils Portland-Cement erzeugt und abgesetzt.

Vier continuirlich betriebene Schachtöfen besorgen das Brennen des Mergels bis zur erfolgten Sinterung; mit Hilfe der zu Gebote stehenden Wasserkraft wird das ungemein scharf geklinkerte Brenngut nach ent­sprechender Ablagerung mittelst Kugelmühlen, Mahlsteinen und der nöthigen Siebvorrichtungen in möglichst feines Pulver zerkleinert. Der Cement wird niemals sofort nach seiner Vermahlung' versendet, sondern gelangt zunächst in grosse Magazine mit Abtheilungen zu je 2000 q Fassungsraum, aus welchen er nach längerer Ab­lagerung durch mechanische Vorrichtungen in Fässer oder Säcke verpackt wird. Dieser Vorgang sichert grosse Gleichmässigkeit und Volumenbeständigkeit der zum Versandt gebrachten Waare. In einem eigenen, mit einer Zug- und einer Druckfestigkeitsmaschine und allen sonstigen Hilfsapparaten ausgerüsteten Fabrikslabora­torium werden täglich Durchschnittsproben des gemahlenen, sowie des in Verpackung begriffenen Cements einer eingehenden Prüfung unterzogen, wobei als Maassstab für die Beurtheilung seiner Eigenschaften die vom Oester- reichischen Ingenieur- und Architekten-Vereine in Wien erlassenen «Bestimmungen für die einheitliche Lieferung und Prüfung von Portland-, respective Roman-Cement» berücksichtigt werden.

Den Hauptbedarf von Cement beanspruchen mit jährlich steigender Tendenz die zahlreichen öffentlichen und Privatbauten der nahe gelegenen Landeshauptstadt Graz, deren Canalisation, in neuerer Zeit fast ausschliesslich in Portland-Cement-Stampfbeton ausgeführt, allein ganz gewaltige Quantitäten dieses modernen Bindemittels absorbirt. Von grösseren öffentlichen Bauten, bei denen Judendorfer Cement zur Verwendung kam, sind erwähnens- werth: das k. k. Justizgebäude, die Drahtseilbahn auf den inmitten der Stadt sich erhebenden lieblichen Schloss­berg, ferner die Fundamente, Landwiderlager und Mittelpfeilerbauten der die Mur übersetzenden schönen Franz Carl- und Radetzky-Brücken, endlich die neu erbaute technische Hochschule und k. k. Carl Franzens-Universität, die Landwehr-Infanterie-Kaserne und viele andere mehr.

Am Schlüsse sei noch hervorgehoben, dass die Judendorfer Cementfabrik sowohl durch vielseitige An­erkennungsschreiben, als auch durch die Verleihung des Ehrendiploms bei der Landesausstellung in Graz 1890 ausgezeichnet wurde, und dass die Firma stets bestrebt ist, den in Folge der täglich fortschreitenden Bauwissen­schaft wachsenden Anforderungen an die Qualität dieses hochwichtigen Baumateriales nach Thunlichkeit Rechnung zu tragen.

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