Industrie der feuerfesten Thonwaaren kaum geübt. Man wusste damals noch nichts über die Wesenheit, die chemische Technologie und den pyrometrischen Werth dieses Bedarfsartikels, ja man hatte gar keine Ahnung, dass in Böhmen das beste Rohmaterial für unabsehbare Zeiten aufgestapelt ist. Man bezog das Fabrikat oder das Rohmaterial aus England, Belgien, später auch aus Deutschland. Viele Fabriken der metallurgischen, chemischen, Glas- und keramischen Industrie, sowie auch Gasfabriken erzeugten feuerfeste Waaren für eigene Zwecke. Es konnte daher eine eigene grössere, selbständige Chamotte-Industrie nicht entstehen, umsoweniger, als man zu dem vaterländischen Materiale, zu den aus demselben im Inlande er­stellten Waaren kein Vertrauen hatte. Im Beginne der Siebzigerjahre entdeckte man in Böhmen ausge­zeichnete feuerfeste Thone, die nach ihrem pyrometrischen Werth als erstclassiges Material zu bezeichnen waren. Man begann mit allem Ernste die Fabrication von feuerfesten Waaren, und der Erfolg entsprach den gehegten Erwartungen. Das Misstrauen schwand immer mehr, und auch die Consumenten gelangten zur Ueberzeugung, dass die vaterländische Chamottefabrication den strengsten pyrotechnischen Anfor­derungen entspreche. Pechar in Kosten begründete die erste Chamottewaarenfabrik grösseren Stiles und fand mit seinen Erzeugnissen schon in der Mitte der Siebzigerjahre grossen Erfolg. Der zunehmende Kohlenbergbau und die wissenschaftliche Untersuchung der Thonvorkommen, um die sich namentlich Dr. C. Bischof grosse Verdienste erworben, führte zu der Auffindung von Schieferthonen, an denen namentlich das Pilsener Revier so reich ist. So hat sich die Chamotte-Industrie in zwei Jahrzehnten zu einer grossen und leistungsfähigen Fabrication emporgeschwungen, die schon in Ansehung der zur Verarbeitung gelangenden erstclassigen Rohmaterialien an pyrometrischem Werth die besten früher zur Einfuhr gelangten Chamottewaaren übertrifft. Kein Gebiet der Thon-Industrie hat so überraschende, sprunghafte Fortschritte wie Oesterreichs Chamottefabrication zu verzeichnen.

Was war schliesslich die Ziegel- und Thon-Industrie in Oesterreich vor 50 Jahren, und was ist sie heute? Der Ziegler hatte seine primitiven Oefen, seine Streichtische, in späteren Jahrzehnten seinen einfachen Holzkübel, die erste Maschine (!), die in Ueberschätzung «Thonschneider» genannt wurde. Und was hat die moderne Technologie geschaffen, welche Gross-Industrie mit Legionen von Arbeitern, Massen von Maschinen mit Dampf- und elektrischem Betrieb ist aus dem Wenigen emporgewachsen! Mächtige Schornsteine von Ringöfen und Dampfmaschinen ragen in allen Kronländern allenorts empor und weisen auf die führende Stellung der Ziegel- und Thon-Industrie hin, die nur unerlässliche und un- abweisliche Bedarfsartikel erstellt! Auch das wichtigste Gebiet der keramischen Technologie, der Bau von Arbeitsmaschinen, hat in den letzten 25 Jahren einen grossen Aufschwung genommen, der in jeder Richtung befriedigen muss. Es gilt dies von allen Apparaten und Maschinen für die Nass- und Trocken­pressung von Ziegel- und Thonwaaren. Der Bau von Zerkleinerungs- und Vorbearbeitungsmaschinen hat eine bedeutende Ausdehnung erlangt. In Wien pflegen diesen Zweig H. R. Gläser, Joh. Hopf u. A.; aber auch an anderen Orten sind grosse und leistungsfähige Fabriken erstanden, die alle Neuerungen zur Anwendung brachten. Dasselbe gilt von Ziegeleimaschinen für das Nassverfahren, die früher aus dem Auslande bezogen werden mussten. Man baut in vorzüglicher Ausführung heute alle diese Ma­schinen im Inlande. Alte und bewährte Maschinenfabriken sind zu Specialfabriken für Maschinen der Ziegel-Industrie geworden, und seien da vor anderen Fr. Wanieck & Co. in Brünn, E. Skoda - Pilsen, L. Hinterschweiger jun. in Lichtenegg bei Wels genannt, welch letzterer auch in der Ersten öster­reichischen Thon-Industrie-Fachausstellung der Jubiläums-Ausstellung in Wien eine vollkommene Ziegelei- maschinen-Einrichtung für das Nassverfahren zur Ausstellung brachte.

Viele Fabriksartikel der Ziegel- und Thonindustrie weisen auf das Trockenverfahren, d. i. auf die Verarbeitung von trockenen, ganz wenig feuchten staubförmigen Thonmaterialien hin. Diese Fabrication bedient sich ganz eigenartig construirter Arbeits- und Hilfsmaschinen und verwendet zum Hauptzwecke der Pressung Hebel und hydraulische Pressen. Grosse Verdienste als Bahnbrecher, Constructeur und Erfinder hat der Ingenieur F. J. Müller in Prag-Bubna, der in seiner Maschinenfabrik seit 25 Jahren dieser Fabrication sein Lebensziel in rastloser Arbeit gewidmet hat. Mehr als ein Viertelhundert Fabriken des In- und Auslandes sind von F. J. Müller für das Trockenverfahren eingerichtet worden. Die Fabrik hat in Oesterreich die grösste und beste Propaganda für die Verallgemeinung der Trockenpressung mit Erfolg gemacht und die Einführung von Neuheiten gefördert. Den besten Beweis gibt die von dieser

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