Die ersten Spuren einer böhmischen Glas-Industrie finden sich im Anfänge des 11. Jahrhunderts. «Günther, ein deutscher Edelmann aus thüringischem Geschlecht, Hess sich um das Jahr 1008 am Schwarzen Regen nieder. Ihm wird die erste Anregung zu den Glashütten des Böhmerwaldes zu­geschrieben.» (Schlesinger, Geschichte Böhmens, Prag 1870, S. 9 2 -) Auf der nahen Winterberger Herrschaft ist die Glas-Industrie wohl bis in das 14. Jahrhundert zurückzuführen, denn schon im Jahre 1395 wird einer «sklenarova lhota» (Glasmacher-Ansiedlung) Erwähnung gethan; zu Ende des

15. Jahrhunderts werden schon zahlreiche Winterberger Glasmacher genannt, wie auch charakteiistische Glasfunde bei Winterberg auf dieselbe Zeit hinweisen. Eines sehr hohen Alters erfreuen sich auch die Glashütten auf den Gütern der Plerren von Rosenberg, des seinerzeit mächtigsten Geschlechtes in Böhmen; es waren dies Spiegelglashütten, deren Gründung von Baiern aus, besonders von Nürnberg, wo schon im Anfang des 14. Jahrhunderts eine Glas-Industrie bestand, beeinflusst worden sein mag. So vermacht der Spiegelhüttenbesitzer Siegmund Stöger in seinem Testamente (1617) die von seinem «lieben Herrn Vatter seelig aigenthümbliche genande uralte Stögerhütte», welche Redewendung jedenfalls auf einen weit zurückliegenden Ursprung dieser Hütte schliessen lässt.

Im nördlichen Theile des Landes ist wohl als die älteste Hütte die bei Kreibitz, respective Daubitz, anzusehen, denn ihrer wird urkundlich schon im Jahre 1457 gedacht. In diesem Jahre starb nämlich Johann Berka de Duba und seine Güter, darunter Ober- und Unter-Kreibitz «et hut ubi vitra laborant vulgariter glaszhut in silva Taubnicz sita» fallen an den König zurück, der* sie im gleichen Jahre wieder Albert de Duba, verleiht. Schon in einer Urkunde, die aus dem Jahre 1427 stammen soll, ist übrigens gleichfalls von dieser Hütte als der hut sklena (Glashütte) bei Kreibitz die Rede. Die Hütte bei Kreibitz eine dann in den Besitz der Glasmeisterfamilie Friedrich über, welcher sie bis in das 17. Jahrhundert gehörte, und ist gegenwärtig noch im Betriebe, demnach wohl eine der ältesten Stätten industrieller Thätigkeit in Oesterreich.

Ein gleich hohes Alter wird der Glas-Industrie im Centrum des Landes, und zwar in Prag zu­geschrieben, indem in einem Prager Contract vom Jahre 1443 ein Mathias parans vitra de valva odrana (ein Glaserzeuger Mathias beim Pulverthurm) erwähnt wird. Ob es sich jedoch hier um wirkliche Glas­erzeugung oder nur um Glasmalerei oder um Glaserhandwerk gehandelt hat, ist zweifelhaft. Auch im

16. Jahrhundert finden wir Prag auf dem Gebiete der Glaserzeugung hervorgehoben, und neben Paul Griemiller, der sich 1569 mit der Färbung von Gläsern befasst haben soll, sind noch die Dominikaner, welche bei St. Agnes im Jahre 1572 eine Glashütte besassen, in dieser Industrie thätig. Da dieser Orden grösstentheils aus Italienern bestand, so mögen sie Glas wohl nach wälscher Manier gearbeitet haben. Bei den Altstädter Mühlen wurde ferner im Jahre 1570 von einem Consortium, an dessen Spitze ein gewisser Balthasar Heinrich stand, eine Glashütte von Grund auf neu erbaut, die jedoch ihren Be­trieb einstellen musste, da sie das angesuchte kaiserliche Privileg in Folge Einspruches der böhmischen Kammer, die wegen der drohenden Holzverschwendung gegen die Glashütte auftrat, nicht erhielt. Auch zu Klattau und an anderen Orten werden Glashütten zwischen 1479 und 1496 erwähnt. Jedenfalls muss in Böhmen die Hohlglas-Industrie im 15. Jahrhundert bereits eine bedeutende Ausdehnung erfahren haben, denn Aeneas Sylvius, der spätere Papst Pius II. (f 1464), erzählt in seiner «Historia Bohemica», dass Böhmen mit Glas gleichsam überschwemmt sei.

Mit dem 16. Jahrhundert dringt helleres Licht in die Geschichte der böhmischen Glas-Industrie, und besonders ist es die Familie der Schürer von Waldheim, die für die Entwicklung- der Industrie schöpferisch thätig ist. Im Jahre 1530 erbaut Paul Schürer der Aeltere die Hütte in Falkenau, und von dieser Stammhütte aus werden durch Mitglieder dieser Familie im Erzgebirge, im Isergebirge, im Böhmer­wald, im böhmischen Flachlande, sowie in Mähren Glashütten errichtet. Ihre Thätigkeit war eine «bahn­brechende und colonisatorische» (Schebek). Die Familie wurde von Kaiser Rudolf II. wohl in An­erkennung ihrer industriellen Verdienste 1592 in den Adelstand erhoben. Zehn Jahre nach der Gründung von Falkenau, im Jahre 1540, errichtet beim Riesengebirge in Rochlitz unmittelbar nach Gründung dieses Dorfes durch E. von Ujezdetz ein gewisser Donat eine Glashütte, die dann nach dem benach­barten Sahlenbach verlegt und die Stammhütte der später zu so grosser Berühmtheit gelangten Glas­fabrik Neuwelt wurde. In Hohenelbe erzeugte man bereits um das Jahr 1536 Glas, in Krinsdorf bei

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