Ein Abnahmsbuch der Glashütte Christiansthal aus den Jahren 1794 bis 1796, welches sehr detaillirte Nachweisungen enthält,, zeigt, dass sich die benachbarte Kundschaft, die Glaswaarenerzeugung in Albrechtsdorf, Antoniewald, Morchenstern, Seidenschwanz, Reinowitz u. s. w. immer mehr dem Specialartikel der Gablonzer Industrie zuwandte.

In den Eintragungen des Jahres 1794 finden wir verzeichnet: «Wachteln, Rösel, kleine Büchsei, Leistei, Tröpfel, ganze Knöpfe, halbe Knöpfe, Birnel, englische Pantelutten, Sternei u. s. w.», Bezeichnungen von Druck­glasartikeln, die sich bis heute unverändert erhalten haben.

Die Hütte in Neuwiese erzeugte schon 1793 Farbenstängel, das Halbproduct zur Herstellung von Sprengperlen mittelst des Rades, während die Eintragung «Stangen» massive Glasstäbe, die im Feuer der Druckhütte zu kleinen Formen verarbeitet werden zum ersten Male im Jahre i8o3 vorkommt.

Erst 1815 findet sich die erste Verrechnung über Perlröhrl, das sind' Glasröhren zur Erzeugung von Perlen vor der Gebläselampe, sogenannter geblasenen Perlen.

Aus einer Glasmacher-Abrechnung von Neuwiese 1808 geht hervor, dass das Drücken von Steinchen, wie solche zu Beginn des Jahrhunderts an die Metallknopf-Industrie in Aachen und der dortigen Umgebung viel geliefert wurden, in den Glashütten selbst durch speciell für diesen Betriebszweig geschulte Arbeiter Steinei­drücker erfolgte. Dieser Productionszweig stirbt mit Beginn der Dreissigerjahre ab oder geht an die Druck­hütten über, wo die Steinchen aus «Stangen» erzeugt werden.

Einen namhaften Fortschritt bedeutete die im Jahre 1824 neu eingeführte Erzeugung von Kopfprismen nach englischem Muster, die in grossen Mengen Absatz fanden und bis zum heutigen Tage als Stapelartikel in der Production der Gegend eine wichtige Rolle spielen. Dazu kamen dann nach und nach die verschiedenartigen Formen der Glasbehänge für die Luster und die damals beliebten Lustervasen; daneben suchte die Industrie der Gegend alle möglichen Gegenstände des täglichen Gebrauches in ihren Bereich zu ziehen, so z. B. Messer­leger u. s. w.

Im Jahre 1829 unternimmt ein einfacher Glasdrücker, dem ein Knopf von einem Kleidungsstücke in Verlust gerathen war, den Versuch, sich einen Knopf aus Glas herzustellen. Der ganz primitiv angestellte Versuch gelang. Ihm entwuchs ein neuer, hochbedeutender Industriezweig, der immer grössere Ansprüche an die Leistungen der Rohglasfabrikanten stellte und namentlich die Erzeugung von immer mehr Farbennuancen erforderte.

Die Vierzigerjahre mit ihren socialen Kämpfen und Wirren brachten eine traurige Zeit für die Industrie; dazu kam 1851 bis 1852 eine schwere Typhus-Epidemie, von deren Folgen die Industriegegend sich nur langsam zu erholen vermochte. Damals begann die Erzeugung der sogenannten Schmelzperlen, die zum Aufputze von Damenkleidern dienten. Es waren dies nicht die runden venezianischen Perlen, sondern die sechseckigen, böhmischen Schmelzperlen. Zur rationellen Erzeugung des Halbfabricates für die Schmelzperlen-Industrie, schwacher sechskantiger Röhrchen, erwies sich alsbald auch eine bauliche Ausgestaltung der Stängelglashütten als nöthig. Es wurden sogenannte Ziehgänge an die Hütten angebaut, zumeist beiderseitige Verlängerungen des überdachten Hüttenraumes, die anfänglich eine Gesammtlänge von 70 bis 80 Meter erhielten. In neuerer Zeit werden die­selben i3o bis 150 Meter lang angelegt. Eine neue Epoche der Glas-Industrie beginnt mit der Einführung der Regenerativ-Gasfeuerung im Jahre 1868; hiebei wurde anfangs Holz, später, nach Eröffnung der Eisenbahn­verbindung EisenbrodTannwald, Braunkohle verwendet. Der Erfolg trat bald zu Tage.

Die Erzeugung wurde auf die grösseren Krystallglasartikel, wie Briefbeschwerer, Tintenfässer, Salz­steine u. s. w. ausgedehnt und auf die mannigfaltigen Neuheiten dieses Genres.

Endlich kommt auch die Erzeugung grosser Körper aus Krystallglas für Leuchtthürme hinzu.

Die Hohlglasproduction war durch den Specialartikel, das Roh- und Halbproduct für die Gablonzer In­dustrie, immer mehr in den Hintergrund gedrängt worden, so dass sie im Jahre 1850 auf nicht einmal 3ooo Hütten­hundert eingeschränkt ist. Sie wächst dann wieder langsam, bleibt aber in der Hauptsache auf die Erzeugung von Lichtschalen beschränkt, bis sie im Jahre 1873 von der Firma neuerdings aufgenommen und ein Ofen für Luxushohlglas in Betrieb gesetzt wird.

Stetiger war die Erzeugung von Flacons seit dem Beginne des Geschäftsbetriebes, doch war auch diese bis zum Jahre 1870 in langsamem Rückgänge. Seither hat sich durch die Inbetriebsetzung eines ausschliesslich für Erzeugung von Flacons bestimmten Ofens die Production in diesem Artikel bis zum Jahre 1890 auf das Sechs­fache des Standes vom Jahre 1870 gehoben.

Der Gedanke lag nahe, nicht bei der Rohglaserzeugung zur Weiterbearbeitung stehen zu bleiben, sondern das erzeugte Halbfabricat auch selbst zu veredeln, zu raffiniren.

Den ersten Versuch mit der Glasraffinerie unternahm Anton Riedel im Jahre 1808, nachdem er die Erlaubnis zur Errichtung einer Schleifmühle an der Pl^ttnei erwirkt hatte.

Das Facturenbuch verzeichnet mit dem 3o. April 1809 die erste Sendung von raffinirtem Glas an A. H. Mattoni in Carlsbad, doch schliesst das Conto über diesen Betriebszweig am 19. März 1814.

Franz Riedel beginnt dann nochmals in Wilhelmshöhe zu raffiniren (i83o), kommt aber über das Versuchsstadium nicht hinaus. Erst im Jahre i883 wird die Hohlglasraffinerie in Verbindung mit einer neu­errichteten Werkstätte für Bronze- und Zinkwaaren neuerdings aufgenommen, durch Uebernahme einer altbewährten Raffinerie in Harrachsdorf (1886) erweitert und seither in grösserem Umfange fortgeführt. Die immer empfindlicher fühlbare Concurrenz Venedigs auf dem Weltmärkte, welche die böhmische Perle nach-

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