MÄHRISCH-SCHLESISCHE ACTIEN-GESELLSCHAFT

FÜR DRAHT-INDUSTRIE

TROPPAU UND ODERBERG.

ieses ganz junge Industrieunternehmen wurde erst im Jahre 1897 gegründet und illustrirt am deut­lichsten den Wandel, welchem die Eisen-Industrie infolge der geänderten Productions- und Ver­kehrsverhältnisse im Laufe dieses Jahrhunderts unterworfen war.

In früheren Jahren, als das Altvatergebirge noch reich bewaldet war und das Holz nur geringe Verwendung fand, siedelten sich in den Thälern, begünstigt durch den damals ergiebigen Erzreichthum, Eisenhütten und verwandte Industrien an, denen auch bald die zu jener Zeit noch in den Kinder­schuhen befindlichen Drahtziehereien, Kettenschmieden und Stiftenschlägereien folgten.

Als jedoch die Eisenbahnbauten vorschritten, konnten die Hölzer besser verwendet werden; die Holzpreise stiegen, andere Erzgruben ergaben reichere Beute, und die Hochöfen, welche bisher günstig gearbeitet hatten, mussten eingestellt werden. Infolge dessen musste das Eisen von auswärts bezogen werden. Die vorhandenen Wasserkräfte reichten für die erhöhten Anforderungen nicht wehr aus, und Dampf trat an Stelle der billigen Wasserkraft. Diese Verhältnisse, sowie die immer schärfer auftretende Concurrenz der günstiger situirten Werke machten ein rationelles Arbeiten unmöglich und führten, um diesen alten schlesischen Industriezweig nicht ganz und gar verschwinden zu lassen, zur Vereinigung der bedeutendsten Firmen dieser Branche. Dieselben entschlossen sich, ihre bisherigen Werke kaltzustellen und den Betrieb an einer günstiger gelegenen Stelle wieder aufzu­nehmen. Zu diesem Zwecke vereinigten sich die Firmen Tlach & Keil in Troppau, Ad. Grohmann & Sohn in Würbenthal, Carl Grohmann & Co. in Troppau, Franz Olbrich in Nieder-Mohrau und Gebr. Schäfer in Bielitz, um obige Actiengesellschaft mit dem Sitze in Troppau zu gründen, und diese baute in den Jahren 1896 und 1897 die Drahtwerke in Oderberg.

Die Oderberger Drahtwerke sind in ihrer Art die grössten und schönsten Oesterreich-Ungarns und werden betrieben mit einer Dampfmaschinenkraft von über 2000 HP, mit einer Dampfkesselanlage von ebensoviel Quadrat­meter Heizfläche.

Die Drahtwerke in Oderberg produciren: Walzdrähte aus Eisen, Stahl, Kupfer, Bronze, Doppelbronze, Compoundmaterial und Zink in jeder Form und Ringgewicht; j_ gezogene Eisen- und Stahldrähte, auch ge­glüht, verkupfert, verzinnt und verzinkt; Drahtstifte (Schutzmarke CD ), Drahtklammern, Schlaufen und Oesen aus Stahl, Eisen, Kupfer und Messing; Drähte aus Zink, Blei und Aluminium, Zinkstäbe für galvanische Batterien, Aluminiumgriffel, sowie auch Fa9on-Aluminiumdrähte; Möbelfedern, lose, gebunden und geknotet; Kupferdrähte aus chemisch reinem Kupfer mit garantirt höchster Leitungsfähigkeit, sowie Rund- und Fa§onkupfer, auch in Stäben, ebenso konisch für Commutatoren; Kupferdrähte für Blitzableiter. Ferner werden Trolleydrähte aus Hartkupfer und Bronze im Adergewicht bis zu 500 kg aus einem Stück, Bronzedrähte für Telegraphie und Tele- phonie, sowie auch Doppelbronze und Compounddrähte mit anerkannt höchster Bruchlast und geringstem Wider­stande erzeugt, dann Feindrähte aus jedem Metall von o - i mm an aufwärts, Ketten aller Art und in jeder Stärke, Schnallen und Ringelwaare, sowie gezogene Wellen bis zu 50 mm Durchmesser, Eisen- und Kupfervitriol.

Die Werke sind elektrisch beleuchtet, haben elektrische Uhren, ein eigenes Telephonnetz, Dampfheizung und Nutzwasserleitung und sind in allen ihren Theilen auf das Neueste und Beste eingerichtet.

Für ihre Beamten und Arbeiter baute die Gesellschaft eigene Wohnungen, da Oderberg und Umgebung für den Zuzug so vieler Arbeiter nicht vorgesehen ist, und errichtete für den Bezug von Lebensmitteln eine eigene Consumanstalt.

29S