Die Sensenschmiede von Waidhofen erhalten im Jahre 1449 vom Bischof Johann III. von Freisingen eigene Zunftsatzungen, und mit Ende des 15. Jahrhunderts befanden sich in Waidhofen schon 20 Sensen­gewerke mit mehr als 100 Knechten. Die grösste Bedeutung erlangte die Sensen-Industrie in Ober­österreich, im Krems- und Steyrthal; diese Sensenschmiede, in der noch heute als Genossenschaft be­stehenden Innung Kirch-Michldorf incorporirt, erhielten am 10. März 1608 über ihr Ansuchen von Rudolf II. eine neue Handwerksordnung, wobei sie sich auf ihr «Bestehen allda seit unvordenklichen Zeiten» berufen.

In Steiermark ist das Aufkommen der Sensen-Industrie wohl der Hauptsache nach zurückzuführen auf das von Herzog Rudolf i36o den Bürgern von Mürzzuschlag ertheilte Privilegium, «zwischen Leoben und dem Semmering ausschliesslich das Eisen klein machen zu dürfen», und das von Kaiser Maximilian am 6. April 1503 den Bürgern von Bruck a. d. Mur ertheilte Privilegium zur Errichtung von Sensen- und Messerschmieden. In Kärnten, Krain und Tirol erstand auch frühzeitig eine Sensen-Industrie; ausserhalb dieser Länder konnte sie sich trotz mannigfacher Versuche nirgends erhalten, der Standort der Sensen- Industrie in Oesterreich blieb nur auf die vorgenannten Alpenländer beschränkt.

Der Ueberlieferung nach waren die meisten Sensenschmiede ursprünglich Klingen- oder Waffen­schmiede, viele Schmiede mögen wohl in Kriegsläuften Schwerter und in Friedenszeiten Sensen ge­schmiedet haben; Schwert und Sense sind ja nahe verwandt, und die Sense, ein friedliches Erntewerkzeug, wurde in unruhigen Zeiten gar oft zur blutigen Waffe, die in den Bauernkriegen und noch in unserer Zeit in den polnischen Aufständen zahllose Menschenleben mähte. Mit einer selbstgeschmiedeten doppel­schneidigen Sense hat der Sensenschmied Anton Reinisch von Volders, der österreichische Winkelried, am 2. April 1797 auf den Wiesen von Spinges an der Spitze des tapferen Rettenberger Schützencorps sich in eine Sturmcolonne der Franzosen gestürzt, 15 Franzosen niedergemacht und seinen Genossen dadurch die Bahn zum Siege gebrochen, dabei aber den Heldentod gefunden.

Die österreichischen Sensen errangen sich frühzeitig einen weitverbreiteten Ruf und wurden nebst österreichischem Stahl am ganzen Weltmarkt beliebt und begehrt. Durch Jahrhunderte giengen öster­reichische Sensen nach Deutschland, Frankreich und Italien, sowie nach Polen und Russland und haben diese ihre alten Absatzgebiete der Hauptsache nach bis heute behauptet.

An eine Sense werden hinsichtlich Feinheit und Haltbarkeit der Schneide grosse Anforderungen gestellt; hiezu bedarf es vor Allem eines vorzüglichen Stahles, der mit der entsprechenden Härte auch eine gewisse Zähigkeit verbindet.

Das ausgezeichnetste und für Schneidewerkzeuge vorzüglich geeignete Material steht der öster­reichischen Sensen-Industrie in dem steirisch-kärntnerischen Stahl zu Gebote, der von einigen grösseren Stahlwerken als Specialität in unübertroffener Güte erzeugt wird. Bei Erzeugung einer Sense ist ein dem Rohmaterial mindestens gleichwerthiger Factor «die Arbeit»; ist eine Sense nicht richtig geschmiedet, so kommt der beste Stahl nicht zur Geltung; sie muss an der Schneide möglichst dünn sein, sie soll sehr leicht, aber doch fest genug sein, um der starken Beanspruchung beim Mähen zu widerstehen, das Blatt muss richtig gestellt sein, damit beim Schnitt die ganze Schneide zur Wirkung kommt; die Her­stellung einer Sense erfordert daher eine sehr geschickte und complicirte Schmiedearbeit. In dieser Richtung ist die österreichische Sensen-Industrie der ausländischen noch immer überlegen, denn nirgends versteht man so leichte und dabei doch so gute Sensen herzustellen als in Oesterreich.

Eine Sense geht bei der Ausarbeitung ungefähr 3omal durch die Hand des Arbeiters und wird grösstentheils noch im Wege der Handarbeit, jedoch im weitgehend arbeitstheiligen Verfahren her­gestellt. Mehr als in irgend einer anderen Fabrication fällt in der Sensenfabrication die wichtigste Auf­gabe dem Meister zu; er muss die Ausführung der verschiedenen Arbeiten: Zainen, Breiten, Formen, Härten, Spannen, Richten, Schleifen etc. überwachen und ein richtiges Zusammenarbeiten der Arbeiter veranlassen und bildet so das geistige Band, das die einzelnen Arbeiter und ihre Leistungen in einem Sensenwerke zu einem einheitlichen Organismus verbindet; mehr als in irgend einer Fabrication drückt sich daher auch in der Sensenfabrication, in dem Erzeugnisse das Können, das Geschick, der Fleiss, kurzum die Individualität des Meisters aus, der in der Regel zugleich der Besitzer der Fabrik ist. Die österreichische Sensen-Industrie ist noch keine schablonenhaft maschinenmässige Fabrication, sie ist ein Fabricationszweig, wo die Persönlichkeit des Meisters wie einst im alten Gewerbe noch eine Rolle spielt,

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