DIE OESTERREICHISCHE SCHAFWOLLWAAREN-INDUSTRIE.
i e gegenwärtigen Hauptsitze der Woll-Industrie Oesterreichs, die Gebiete von Reichenberg, Brünn, Bielitz und Jägerndorf, sind auch die Stätten gewesen, auf welchen nach geschichtlicher Ueberlieferung das Wollengewerbe in Oesterreich zuerst festen Boden fasste. Die Tuchmacherei als gewerblicher Betrieb ist in diesen Gebieten jedoch nicht bodenständig, sondern ein Angebinde jener Einwanderer deutschen Stammes, welche gegen das Finde des 12. und im 13. Jahrhunderte in die slavischen Länder Oesterreichs als Gründer der Städte, als Verbreiter und Pfleger der Cultur kamen und feste Niederlassungen bildeten.
Auf den uralten Handelsstrassen, welche das Stromgebiet der Donau und der Elbe mit dem Gebiete des Rheins in Verbindung hielten, gelangten die Bewohner des Flamlandes und des Niederrheins in diese Ländergebiete, von den Przemysliden gesichert im Besitze ihres deutschen Rechtes und mit Vorrechten und Begünstigungen ausgestattet. Die niederländischen Einwanderer brachten aus ihrer Heimat das Tuchmacher- und Färbereigewerbe mit, welches dort schon zu den Römerzeiten eine Heimstätte gefunden hatte und in fortschreitender Entwickelung zu solcher Bedeutung gelangt war, dass der grosse und dauernde Reichthum des flandrischen Landgebietes schon zu Beginn dieses Jahrtausends in der gewerbsmässigen Verfertigung der Wolltücher wurzelte, deren Technik in jeder Richtung einen für jene Zeiten ausserordentlichen Höhepunkt erlangte.
In den Gegenden Oesterreichs, wo die Ansiedler vom Niederrhein heimisch wurden, fand auch das von ihnen mitgebrachte Tuchmachergewerbe eine feste Stätte. Den engen Zusammenhang der flandrischen Einwanderung mit der Entstehung und Entwickelung des Wollengewerbes kennzeichnet die beglaubigte That- sache, dass Flanderer oder Flamminger mit Färbern und Tuchmachern für gleichbedeutend galten. Brünn und Iglau, dessen Rechtsbildung den flandrischen Ursprung klar ausprägt, waren die Orte, von denen auch urkundliche Nachweise die Thatsache überliefern, dass das Tuchmachereigewerbe raschen Eingang und eine dauernde Heimstätte fand.
Wenn uns auch über Reichenberg schriftliche Nachrichten fehlen, so unterliegt es doch keinem Zweifel, dass hier wie in anderen Orten Böhmens auch durch flandrische Colonisten die Tuchmacherei eingeführt wurde, und gefördert durch die Przemysliden und insbesondere durch die Luxemburger zum Aufschwünge gelangte.
Auch in Wien muss die Tuchmacherei frühzeitig Eingang gefunden haben, da schon im Jahre 1208 die Bildung einer Tuchmachergilde erwähnt wird, deren Bedeutung daraus erhellt, dass Herzog Albrecht II. am 23. Juli 1340 alle Zünfte mit alleiniger Ausnahme der Tuchmacher-Innung abschaffte.
Die mittelalterliche Geschichte der Tuchmacherzünfte in den österreichischen Ländern ist uns nirgends in der Klarheit und urkundlichen Bestimmtheit überliefert wie in Iglau, dessen Tuchmacherzunft in Karl