LIESER & DUSCHNITZ

MECHANISCHE HANFSPINNEREI, BINDFADEN- UND SEIL-FABRIK

PÖCHLARN A. D.

is in die Mitte der Achtzigerjahre wurde der Bedarf an Hanfgespinnsten, als da sind Bindfaden, Schuh- und Webgarne, nur zum geringen Theile im Inlande gedeckt, sondern hauptsächlich durch den Import befriedigt. Es bestanden zwar einzelne kleine Fabriken, welche sich mit der Erzeugung von Bindfaden beschäftigten, diesen jedoch nur in den gröberen Sorten herstellten, während sie sich mit den übrigen oben genannten Artikeln, ebenso wie mit der verwandten Fabrication von Transmissions­seilen überhaupt nicht befassten. Diese Lücke in der heimischen Industrie auszufüllen, vereinigten sich im Jahre 1884 Sigmund, Adolf und Justus Lieser, ferner Max und Karl Duschnitz zu einer offenen Handelsgesellschaft, welcher sämmtliche genannten Herren bis auf den seither verstorbenen Sigmund Lieser auch heute noch angehören.

Als Standort des zu erbauenden Etablissements wurde der Ort Pöchlarn a. D. erwählt, da die dort in die Donau einmündende Erlauf eine ausgiebige Wasserkraft zu bieten versprach, und hat sich diese Wahl auch als vortheilhaft erwiesen, weil, abgesehen von einzelnen Hochwässern, von denen die Fabrik betroffen wurde, und von der anfänglichen Unvollkommenheit der Communicationsverhältnisse, die sich inzwischen bedeutend gebessert haben, im Uebrigen die Entwickelung des Unternehmens durch seine Lage nur gefördert wurde.

Der damalige Stand der Technik ermöglichte es, die Anlage von vornherein in nach jeder Richtung zweck­entsprechender Art zu errichten.

An Baulichkeiten wurde ein Hauptfabriksgebäude, ein Turbinenhaus, ein Kesselhaus, ein Magazin für Roh­material, ein solches für fertige Waare, ein Seilergang, ein Raum für die Kanzleien neu aufgeführt und überdies die Cantine in einer bestehenden alten Mühle untergebracht.

Als Betriebskraft zog man den erwähnten Erlauffluss heran. Dessen oberhalb einem bereits vorhandenen Wehr in einen 2400 Meter langen Werkscanal abgeleitetes Wasser wurde nach dem Turbinenhause, von hier aber nicht wieder in den Fluss zurück, sondern unmittelbar zur Donau geführt. Anfangs standen drei Turbinen, in Granit­quadermauerwerk, welches auf einem pilotirten Holzrost ruhte, montirt, in Verwendung, welche eine Aufnahms­fähigkeit von 8 Cubikmeter pro Secunde besassen und eine Kraft in der Stärke von 450 Pferdekräften lieferten, welch letztere allerdings bei ungünstigem Wasserstand bis auf die Hälfte herabsank. Nebst diesen Turbinen wurden noch zwei Dynamomaschinen für die Speisung von je 200 Glühlampen mit elektrischem Strome und zwei Dampfkessel von 80 und 30 Quadratmeter Heizfläche zur Versorgung der Polir- und Heisswasser-Spinnmaschinen aufgestellt.

Nach Fertigstellung des Etablissements begann man sofort mit der Fabrication, welche im grossen Maass­stabe auf mechanischem Wege eingeleitet wurde, wobei 250 Arbeiter Beschäftigung fanden, welche täglich fertige Waare in einer Menge von 2500 Kilogramm herstellten. Die gewonnenen Fabricate waren gleich vom Anfang an in jeder Beziehung den bisher vom Auslande bezogenen ebenbürtig, und so gelang es ihnen in kurzer Zeit, die bisher unbe- kämpfte ausländische Concurrenz zu besiegen und den heimischen Markt hinsichtlich aller cultivirter Artikel, sowohl der Bindfaden-, der Web- und Schuhgarne, als auch der Transmissionsseile im Fluge zu erobern.

Bald waren in Folge der sich fortwährend steigernden Nachfrage, trotz der ursprünglichen grossen Ausdehnung, die zu Gebote stehenden Betriebsstätten zu klein und es musste zu einer ausgiebigen Erweiterung derselben geschritten werden.

Es entstanden ein ganz neues Fabriksgebäude, eine neue Knäulerei, ein Werkstättenhaus; das Rohwaaren- magazin wmrde vergrössert, ebenso das Kesselhaus, welches einen zweiten Schornstein erhielt und in dem vier neue Dampfkessel mit einer Heizfläche von 760 Quadratmetern Aufstellung fanden. Zur Deckung des erweiterten Kraft­bedarfes installirte man eine Dampfmaschine von 350 Pferdekräften, der kurz darauf eine zweite von 550 Pferdekräften folgte; ausserdem wurde eine elektrische Kraftübertragungsanlage in der Stärke von 400 Pferdekräften eingeführt.

Nach all diesen Erweiterungen und Vergrösserungen ist gegenwärtig eine Fläche von 16.000 Quadratmeter verbaut; auf dieser erhebt sich ein Shedgebäude für Hechelei, Carderie, Hanfreiben, Vorspinnerei, Trockenspinnerei und Zwirnerei, ein zweites Shedgebäude für Heisswasserspinnerei, Polirerei, Haspelei und Seilgarnspinnerei, ferner ein Knäuelsaal, ein Werkstättengebäude mit Schlosserei, Tischlerei, Schmiede und Giesserei, eine Seilerwerkstätte (150 Meter lang), eine Seilerei (600 Meter lang), ein Turbinenhaus (enthaltend drei Turbinen ä 225, ii2 l / 2 und ii2y 2 Pferde- kräfte, sowie zwei Dynamomaschinen für 800 Glühlampen), ein Maschinenhaus mit einer Dampfmaschine von

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