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Die Groß-Industrie Oesterreichs : Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 ; Vierter Band
Entstehung
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Ginzkey zum erstenmale seine selbsterzeugten Teppiche und Decken auf den Wiener Markt. Der Erfolg war ein derartiger, dass bereits 1847 mit sechs Teppichstühlen und einem Deckenstuhle gearbeitet werden konnte. Die gleichzeitige Errichtung einer Färberei half einem lebhaft empfundenen Mangel ab. Das Unternehmen wuchs von Jahr zu Jahr. 1856 erwarb Ignaz Ginzkey eine Fabrik, vergrösserte die­selbe 1858 und 1861 und entwickelte das Geschäft so, dass er die Londoner Ausstellung beschickte und innerhalb der Fabriksräume be­reits 230 Personen Arbeit gab, während er ausser dem Hause noch 80 Familien mit Spinnen beschäftigte. 1863 wurde unter gleichzeitiger Erweiterung der Spinnerei ein grosses Webereigebäude aufgeführt, und man begann den immer grösser werdenden Bedarf an Kunstwolle selbst zu erzeugen. 1872 begann der Bau eines zweiten grossen Weberei­gebäudes, und als Ignaz Ginzkey am 3. Mai 1876 in Folge eines Herz­schlages die Augen schloss, konnten seine Söhne ein blühendes Geschäft als werthvolles Erbe antreten. Zunächst übernahmen die beiden älteren Söhne Ignaz und Willy die Leitung des umfangreichen Unternehmens, bis 1891 auch der jüngste Sohn Alfred in die Leitung eintrat. Am 19. October 1895 rief der Tod den ältesten Chef Ignaz Ginzkey, lang­jährigen Präsidenten der Reichenberger Handels- und Gewerbekammer, im blühendsten Mannesalter und aus weitgehenden Zukunftsplänen ab; seit­dem ruht die Leitung der Fabrik auf den Schultern der Brüder Willy und Alfred.

Gleich ihrem thätigen Vater haben auch die Söhne die Hände nicht ruhen lassen, und dem einen Teppichstuhl mit Jacquard-Maschine des Jahres 1843 stehen heute nach mehr als 50 Jahren in der Weberei 250 mechanische Stühle und über 100 Handstühle, darunter etwa 70 für Knüpfteppiche, für Teppiche bis zu der aussergewöhnlichen Breite von i2'50 Meter gegenüber. Das ganze Etablissement besteht heute aus zwei Streichgarnspinnereien, einer Kunstwollfabrik, der Teppich- und Deckenfabrik mit Wollspinnerei, Färberei, Zwirnerei und beschäftigt über 1200 Arbeiter. Die Spinnerei umfasst zwölf Assortiments-Krempeln nebst den dazugehörigen Spinnmaschinen. Der mächtige Umfang des Unternehmens lässt sich am besten ermessen, wenn man erfahrt, dass der maschinelle Betrieb der Fabriken von drei durch sieben Kessel gespeiste Dampfmaschinen und ausserdem von mehreren Elektromotoren geleitet wird.

Die Erzeugnisse der Firma beginnen bei den einfachen schlichten Läufern und Teppichen, welche in beschei­dener Zurückhaltung die Wohnungen der mittleren Stände schmücken und ihnen den Eindruck behaglicher Wohnlichkeit verleihen. Es sind mit einer bescheidenen Kunst ausgestattete Boden- und Treppenläufer, theils mit Streifen, theils geometrischer, theils blumenartiger Musterung in gedämpften g-rauen, grünlichen, mit dunkelfarbigen Streifen ver­setzten Tönen oder mit reicher Farbenentwickelung, deren Muster der Pflanzenwelt entlehnt sind; sie sind in Jute

oder Wolle gewebt. Zu ihnen gesellen sich die Tapestries und Velvets, als Sofas und Rugs, die Brüssel- und Axminster und endlich die geknüpften Teppiche. Ein besonderes Erzeugnis der Fabrik sind die im Handel unter dem Namen Austrian- Blankets bekannten bunten Wolldecken, die einen bedeutenden Theil des Exportes bilden. Das aber, was der Fabrik den Weltruf verschafft, sind ihre geknüpften Teppiche. Ein umfangreiches Zeichnen­atelier schafft für sie die glänzenden Muster in allen Stylen, namentlich aber in persischen, orien­talischen, im Style des 18. Jahrhunderts und im Style der neuen Kunst, der »art nouveau«, inso- ferne die Fabrik nicht vorzieht, die köstlichen alten Erzeugnisse unmittelbar zum Vorbild zu nehmen. In dieser Beziehung hat die im Jahre 1891 vom Handelsmuseum in Wien veranstaltete Ausstellung, welche in einer nie erreichten Voll­ständigkeit ein übersichtliches Bild über die ge- sammte Kunst des orientalischen Teppichs gab, ausserordentlich belebend und befruchtend gewirkt.

Eine besondere Art von Teppichen, die unter dem Namen Persan Anden in den Handel gebracht ist, besteht aus feinster Angorawolle und nimmt die guten alten persischen ^Teppiche zum Vorbild. Diese Erzeug­nisse sind vollendete Kunstwerke in Glanz und Muster der Farben, im Material und in der Zeichnung; in ihnen steht das Haus Ginzkey unerreicht da. Einmal ist es der Gebetteppich in seiner unerschöpflichen Form und Farbengebung, mit der

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Die Gross-Industrie. IV.

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