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Die Groß-Industrie Oesterreichs : Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 ; Sechster Band
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konnte, so kann doch die österreichische Seifen-Industrie insofern ganz stolz auf die derzeitigen Erfolge sein, als sie ohne hohe Schutzzölle sich den inländischen Markt fast vollständig erhalten hat. Der Export an Seife ist wohl ein ganz bescheidener, jedoch dort, wo das österreichische Product mit dem aus­ländischen in Concurrenz treten kann, hat es sich in Folge seiner guten Qualität noch behaupten können.

Als Hauptmaterialien zur Seifenerzeugung dienen der Talg von Rindern und Schafen, Knochenfette und alle thierischen Abfallfette; von Pflanzenfetten hauptsächlich Palmkernöl, Palmöl, Cocosöl, Sesamöl, Olivenöl, Ricinusöl, ferner das Abfallfett der Stearin-Industrie, die Oelsäure (Elain) und schliesslich in ganz bedeutender Menge Harz (Colophonium) als Zusatz zu manchen Haushaltungsseifen und zur Darstellung der Harzseifen.

Diese verschiedenen Rohmaterialien werden in vielen Fabriken vor der Verseifung mit Eauge in Fettsäuren und Glycerin gespalten und oft dann noch die erhaltenen Fettsäuren, wenn sie von Abfallfetten stammen, mithin ganz dunkel gefärbt sind, einer Destillation mit überhitztem AVasserdampf unterzogen.

Die technischen Hilfsmittel, die bei Ausführung dieser Operationen in Oesterreich zur Anwendung gelangen, sind wohl die modernsten in ihrer Art.

Adelfach ist noch die Spaltung der Fette mit 2 bis 3% Aetzkalk bei einem Drucke von 8 bis 10 Atmosphären in Autoclaven in Anwendung, und erst seit circa zwei Jahren fängt die Spaltung mit Aetzmagnesia ihrer A^ortheile gegenüber der Kalkspaltung wegen an, sich Bahn zu brechen.

In allen jenen Fällen jedoch, wo der Seifenfabrikant nicht vor der Verseifung der Fette eine Spaltung vornimmt und das Glycerin aus den Unterlaugen gewinnt, welch letztere Methode hier nur in kleineren Betrieben ausgeführt wird, erzielt man ein Rohglycerin von ganz inferiorer Qualität, welches in Oesterreich fast gar keinen Absatz finden kann. Aus diesem Grunde müssen noch viele Fabrikanten, welche die kostspielige Einstellung von Spaltungsanlagen mit Hochdruck vermeiden und kein Unterlaugen­glycerin erzeugen wollen, auf die Gewinnung des Glycerins ganz verzichten.

Die Darstellung der zur Seifenerzeugung nöthigen Aetzlaugen wird in grösseren Unternehmungen fast ausnahmslos im eigenen Betriebe aus der käuflichen Leblanc- oder Ammoniaksoda vorgenommen. Nur für einige wenige Seifensorten ist es vortheilhaft, das von chemischen Fabriken erzeugte feste Aetznatron zu verwenden. In den grossen Fabriken wird bei der Darstellung von Aetzlauge aus Sodalösung mittelst Aetzkalk das Rühren mit Handbetrieb gegenwärtig nicht mehr ausgeführt, und stehen hiezu mechanische Rührwerke und Dampfmischer in ausgebreiteter A'erwendung.

Das Eindampfen von den auf diese Weise erhaltenen Aetzlaugen in Dampfkesseln ist fast voll­ständig aufgelassen worden, weil dasselbe zu grosse Gefahren für den Dampfkesselbetrieb mit sich bringt, man concentrirt vielmehr diese Laugen gewöhnlich in offenen, schmiedeeisernen oder gusseisernen Pfannen, in welchen sich schmiedeeiserne Heizschlangen befinden.

Häufig wird auch in Seifenfabriken die Erzeugung von Krystallsoda betrieben, da die hiebei ab­fallenden Sodalaugen in der Seifensiederei wieder gute AVrwendung finden können.

AA r as nun das Sieden der Seife selbst anbelangt, so wird hiezu sowohl directes Feuer, als auch o-esättio-ter und überhitzter Damof verwendet. Die Grösse der Sudkessel steift bis zu einem Fassungs- raume von circa 60.000 Litern.

Die Manipulationen, welche dem Sieden der Seife folgen, werden in den meisten Fabriken in alter Art und A\ T eise vorgenommen. Die flüssige Seifenmasse wird in kleinere oder grössere Formen aus Holz oder in neuerer Zeit aus Schmiede- oder Gusseisen gegossen und in diesen zu einem festen Blocke er­starren gelassen. Eiserne Seifenformen, aus einzelnen Theilen bestehend und zur Zusammensetzung in Kastenform eingerichtet, sind zuerst in Deutschland construirt worden und werden auch heute noch von dort nach Oesterreich eingeführt.

AVas die nöthigen Apparate und Maschinen anbelangt, die zur weiteren Bearbeitung der festen Seifenblöcke dienen, um dieselben in kleinere Theile und schliesslich in handelsübliche Stücke zu zer­legen, so sind auch diese fast ausschliesslich deutschen Ursprungs.

Die Ursache, weswegen die meisten Maschinen und Apparate, wie jene zum Schneiden der Seife, Hobeln und Pressen derselben, hauptsächlich aus Deutschland eingeführt werden, liegt darin, dass dort Maschinenfabriken von ganz bedeutender Ausdehnung bestehen, die sich fast ausschliesslich nur mit der Herstellung von Maschinen und Apparaten zur Seifenfabrication befassen und in Folge dieser Specialisirung constructiv gut und ihres bedeutenden Absatzes wegen auch relativ billig arbeiten können. Jene wenigen

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