F. A. SARGS SOHN & CO.

K. und K. HOF-LIEFERANTEN

K. K. LANDESPRIV. MILLYKERZEN-, SEIFEN- UND GLYCERIN-FABRIK

LIESING.

ie Geschichte dieser h abrik, welche auch für die allgemeine Entwickelung der Fettwaaren-Industrie in Oesterreich maassgebend war, hängt mit jener der Stearin-Industrie auf das engste zusammen.

Durch die bahnbrechenden AArsuche, die der berühmte Chemiker Chevreul 1811 begann und 1825 so weit beendigt hatte, dass er im AAreine mit Gay-Lussac an die Erwerbung eines Patentes schreiten konnte, wurde die Natur der Fette festgestellt. Im Jahre 1813 gelang es ihm, duréh Zer­setzung einer aus Schweineschmalz und Olivenöl dargestellten Seife zu finden, dass sich dieselbe unter Abscheidung von Glycerin in ein festes und ein flüssiges Fett trennen lasse, welche die Eigenschaften von Säuren besitzen. Er nannte 1816 das feste Fett »Stearinsäure«, auch Stearin, das flüssige Oelsäure, Ela'insäure oder kurzweg Elaïn. Trotz der Ertheilung des Patentes waren die technischen Schwierigkeiten noch lange nicht überwunden. Es dauerte volle sechs Jahre, bis A. de Milly durch Einführung der Kalkverseifung die Idee Chevreuls für die Industrie ver- werthbar machte und vereint mit Motard zum Baue einer Kerzenfabrik schreiten konnte. Inzwischen gieng man an das Studium der Dochtbereitung; es gelang Chambacérès, den Docht durch genügende Beizung für die Kerze tauglich zu machen. Die erste Fabrik wurde in der Nähe der Barrière de létoile zu Paris gegründet, und die dort verfertigten Kerzen wurden »Bougies de Milly« oder auch »Bougies de létoile« genannt.

Im Jahre 1834 wurden auf der Pariser Industrieausstellung zum erstenmale Kerzen ausgestellt und prämiirt. Es waren die Milly-Kerzen. Nachdem nun A. de Milly gesehen hatte, dass sein Verfahren der Stearinfabrication von Erfolg gekrönt sei, entschloss er sich, seine Patente, unter welchen sich eines zur Erzeugung von Elai'nseife befand, auch im Auslande zu verwerthen, und gründete, auf dieselben gestützt, neue Fabriken.

In Oesterreich-Ungarn erhielt er am 7. Juli 1837 ein Privilegium zur Erzeugung von Kerzen und errichtete seine Fabrik in der damaligen AArstadt AVieden. Er brachte vorzügliche Stearinkerzen unter dem Namen »Milly- Kerzen« in den Handel, welche als die ältesten in Oesterreich-Ungarn eingeführten Stearinkerzen anzusehen sind. Gemeinsam mit seinem Bruder G. de Milly gründete er nach manchen Schwierigkeiten laut Decret vom 16. De- cember 1839 die k. k. ausschliesslich privilegirte Milly-Iverzen-Fabriksgesellschaft G. de Milly mit dem Sitze in AAden, AVieden Nr. 83, später AVohllebengasse Nr. 10.

Im Jahre 1854 wurde an den Bau einer neuen Fabrik in der Umgebung AViens, in Liesing, geschritten. Diese hielt sich jedoch nicht lange im Besitze der Gesellschaft und wurde, als letztere liquidirte, im Jahre 1858 von F. A. Sarg aus Frankfurt a. M. in öffentlicher Versteigerung erworben. Diesem stand sein Sohn Carl Sarg zur Seite, und vereint gelang es beiden, die Fabrik mit fachmännischem Geschicke und bewunderungswürdiger Ausdauer von Stufe zu Stufe zu einem Musteretablissement ersten Ranges zu erheben. Hiebei konnte Sarg jun. die Kenntnisse und Erfahrungen verwerthen, welche er während seiner Studien beim Altmeister Justus von Liebig erworben hatte.

An dieser Stelle wird es wohl am Platze sein, mit kurzen AVorten die damalige Fabricationsmethode zu schildern. So wie noch heute zerfiel die Fabrication der Stearinkerzen in vier Hauptprocesse, nämlich: 1. Darstel­lung der Fettsäure durch Verseifung der Fette und Zerlegung der Seife; 2. Trennung der festen Fettsäuren durch Krystallisation und Pressung; 3. die Klärung des Stearins; 4. das Iverzengiessen.

AAn diesen vier Processen haben die Methoden der Darstellung der Fettseifen und ihrer Zersetzung die meisten Veränderungen im Laufe der Zeit erlitten, während die Fabricationsarten der anderen Gruppen, mit Ausnahme der Kerzengiesserei selbst, wenige oder gar keine erfuhren.

Die AArseifung und Zerlegung der Fette wurde in der Liesinger Actiengesellschaft nach dem alten Millyschen AArfahren vorgenommen: Ein mit Blei ausgeschlagener Bottich wurde mit Talg beschickt und dieser, nachdem er geschmolzen war, mit 13- bis i4%iger Kalkmilch unter beständigem Umrühren und Erhitzen verseift. Nach 5 bis 7 Stunden war die Verseifung vollendet, worauf das in der Seife befindliche Glycerinwasser durch Absitzenlassen ab­geschieden wurde. Das Glycerinwasser, welches zu verdünnt war, um auf Glycerin verarbeitet zu werden, wurde ab­gelassen. Hierauf wurde die nun erkaltete Seife mittelst Krampen aus dem Bottich geschlagen, pulverisirt und durch ein Sieb geworfen. Die so erhaltene Seife wurde dann mittelst Schwefelsäure zersetzt.

Die Gross-Industrie. VI. ^

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