Tapetenfabrication, zum Füllen von Gasuhren etc. etc. und, last but not least, in der Pharmacopöe allgemein eingeführt.

Inzwischen hatte in England die Firma Price das Destillationsverfahren mit überhitztem Wasserdampf zur Glyceringewinnung in Anwendung gebracht. 1867 führte Sarg dieses als Erster auf dem Continente ein, und hie­durch wurde die Glycerinfabrication so verbessert, dass sich die Fabrik in Liesing rühmen kann, das reinste Glycerin zuerst auf den Weltmarkt gebracht zu haben und noch zu bringen. Im Jahre 1873 entdeckte Carl Sarg die Ivrystal- lisirbarkeit desselben und gründete darauf ein neues Verfahren der Glyceringewinnung.

Einen grossen Schritt nach vorwärts machte die Glycerin-Industrie durch Einführung des Nitroglycerins in Form von Dynamit in der Sprengtechnik.

Auch die Medicin erkannte bald die vielen hervorragenden Eigenschaften dieses Alkohols. Bahnbrechende Chemiker und Aerzte, wirerwähnen nur unseren Altmeister Justus von Li ebig, Wöhler, den Entdecker des künstlichen Harnstoffes, Scherzer, den bekannten Novarareisenden, v. Hebra, Redtenbacher u. s. w., haben mehr wie einmal auf die vorzüglichen Eigenschaften des Glycerins sowie der hieraus erzeugten Glycerin-Toiletteartikel hingewiesen.

In der Absicht, dessen namentlich für die Haut so wohlthätige Beschaffenheit praktisch zu verwerthen, wurden nun Versuche gemacht, den gewöhnlichen Toiletteseifen Glycerin beizumengen. Carl Sarg erfand in deren Verfolgung die heute weltbekannten transparenten Glycerinseifen, welche bald einen der verbreitetsten industriell erzeugten Consumartikel bildeten. Anfangs wurden der Seife 33% Glycerin zugesetzt. Später gelang es ihm, die Glycerin-Aufnahmsfähigkeit der Seife derart zu steigern, dass er ihr über 90% Glycerin zusetzen konnte, ohne dass sich ihre Consistenz veränderte. Dieser Artikel, der letzte, den Carl Sarg kurz vor seinem Tode herstellte, ist das Adoucine.

Ausser den vielen Glycerinartikeln, welche Carl Sarg im Laufe der Zeit auf den Weltmarkt brachte, erfand er 1887 das »Kalodont«, eine Zahncreme in Tuben, welche sich durch ihre vorzüglichen sanitären Eigenschaften, sowie durch ihre praktische Verpackung bald einen Weltruf erworben hat.

Noch müssen wir eines Industriezweiges gedenken, welchen Carl Sarg in Oesterreich zuerst einführte und der einen grossen Aufschwung nahm; wir meinen die Margarinfabrication. Leider musste diese jedoch wegen Miss­gunst der Verhältnisse aufgegeben werden. Die übrigen Fabriken, welche noch die Margarinherstellung in Oester­reich-Ungarn aufnahmen, arbeiten zwar weiter, aber so recht entwickelungsfähig scheint diese Branche in Oesterreich- Ungarn nicht mehr zu werden.

Leider müssen wir hier erwähnen, dass ein zweiter Industriezweig, ehemals auch ertragsfähig und blühend, demselben Schicksal entgegengeht wie die Margarin-Industrie, nämlich die Fabrication des Ceresins (Kunstwachses).

Im Jahre 1874 wurde die Ceresinfabrication in der Liesinger Fabrik eingeführt und zwei Jahre später die erste Extraction Oesterreichs daselbst ins Leben gerufen. Oesterreich ist so glücklich, das einzige Land zu sein, welches den Rohstoff dieser Fabrication liefern kann, denn nur in Galizien wird das Rohwachs oder Ozokerit gefunden. Wie leicht könnten wir die Tonangebenden sein, welche den Markt in diesem Artikel beherrschen, doch leider ist dies nicht der Fall, langsam, aber sicher entwindet uns Deutschland den Vortheil aus der Hand, den wir durch die Natur besitzen-, Oesterreich soll nun einmal kein Industriestaat werden!

Zum Schlüsse noch ein kurzer Ueberblick über den heutigen Stand der Fabrik.

In vier Autoclaven ä circa 2000 Kilo Inhalt wird die zur Fabrication nöthige Fettmenge verseift und hierauf in grossen, mit Blei ausgeschlagenen, circa 6000 bis 8000 Liter fassenden Reservoiren zersetzt. Die Fettsäuren werden gewaschen und nach der Krystallisation durch acht Kalt- und sieben Warmpressen in feste und flüssige ge­trennt, und hierauf wird das Stearin nach der Klärung auf circa 70 Kerzenmaschinen vergossen. Ein Theil der Fettsäure wird destillirt, wozu neun Destillationsblasen dienen.

Das Glycerin wird, nachdem es in zwei mächtigen Vacuumapparaten eingedampft worden ist, durch Spodium- filter, deren es 15 in der Fabrik gibt, laufen gelassen und dann in vier Destillationsblasen auf die bekannte vor­zügliche Qualität und Reinheit gebracht.

In vier grossen Seifensiedekesseln wird die Hausseife dargestellt; 40 eiserne Formen dienen zum Giessen der­selben, worauf sie durch entsprechende Maschinen in handliche Stücke geschnitten und gestanzt wird.

Das zur Ceresingewinnung erforderliche Rohmaterial, das Ozokerit, wird in sechs eisernen Rührern mit Schwefelsäure verarbeitet, das hiebei resultirende Ceresin wird durch hydraulische Filterpressen von den Unreinlich­keiten befreit und in weisser und gelber Farbe und verschiedenen Formen in den Handel gebracht. Aus dem Kunst- w r achs werden auch Weihnachtskerzen erzeugt. Die in den Pressrückständen enthaltenen Wachsreste werden durch Extraction in einem eigenen grossen Locale wieder gewonnen. Das Ceresin wäre bei günstigen Verhältnissen ein sehr begehrter Exportartikel.

In der Toiletteseifen- und Kalodont-Fabrication sind circa 60 Mädchen beschäftigt. Die Gesammt-Arbeiter­anzahl beträgt 300, wovon die Hälfte Männer sind. Die Fabrik besitzt eine Feuerwehr und Arbeiterhäuser für zwanzig Parteien. Für die nothwendigsten Reparaturen ist eine eigene Werkstätte vorhanden.