erfolgten. Bereits vor dem Kriege concessionirte Linien, die Kaschau-Oderberger, Kaiser Franz Josef-, Kronprinz Rudolf-Bahn, das Ergänzungsnetz der Staats-Eisenbahn-Gesellscbaft kamen nun zum Ausbau, die Oesterreichische Nordwestbahn, die Ungarisch-galizische Bahn, die Vorarlberger Bahn und mehrere kleinere Linien wurden gebaut, ihnen folgten: der österreichische Theil der Ungarischen Westbahn, die Pilsen- Priesener Bahn, die Elbethallinie der Nordwestbahn, die Prag-Duxer Bahn, die Bielathalbahn, Erweite­rungen der bestehenden Linien durch Anschluss- und Anbaustrecken, die Albrecht-Bahn etc.

Die Gesammtsumme der Erweiterungen betrug in dieser kurzen Periode mehr als 2 /s des früher bestandenen Umfanges. Ueberall wurde gebaut gerechnet speculirt und damit zugleich ein theil- weise ungesunder Wettbewerb inaugurirt, der schon bei der Anlage einzelner Linien selbst in Protesten anderer Bahnen, welche sich in ihrem Wirkungsgebiete bedroht sahen, zum Ausdrucke kam. Erweckung überschwänglicher Hoffnung bei der Capitalsbeschaffung, bei hohen Kosten dieser Beschaffung selbst, das Einstellen hoher Gründergewinne auf Kosten des hiedurch zu karg bemessenen Capitals für Bau und Aus­rüstung, die Verquickung der Finanzirung mit der Bauunternehmung, das Fehlen von Rücklagen für spätere Erfordernisse charakterisiren den Eisenbahnwerdeprocess jener Zeit, dem die Finanzkrise von 1873 ein jähes Ende bereitete, und der bis auf wenige gut fundirte Gesellschaften viel Krankhaftes zurückliess.

Wir verzeichnen nun eine sechste Periode (18731879), welche wir als Periode des Krankheits­und Heilungsprocesses bezeichnen können. Sollte nicht alles zusammenbrechen, so musste der Staat helfend eingreifen; dies geschah in der nächsten Zeit und den darauffolgenden Jahren: A. Durch die Unterstützung nothleidender Privatunternehmungen, und zwar 1. durch Verleihung von Bauvorschüssen zur Vollendung wichtiger Linien (PilsenEisenstein, FalketiauGraslitz, St. PöltenLeobersdorf); 2. durch Bedeckung der Betriebsabgänge durch den Staat; 3. durch möglichstes Entgegenkommen bei Behebung von Zwistigkeiten, die aus dem Garantieverhältnis bei einzelnen Linien zwischen Staat und Gesellschaft entstanden waren; 4. durch Erhöhung der Staatssubvention, beziehungsweise Gewährung der vollen Garantie bei einzelnen Linien, so bei der Salzkammergutbahn und anderen Bahnen; 5. durch Regelung des Ver­hältnisses zwischen den Obligationen- und Prioritätenbesitzern im Interesse des ungefährdeten Bestandes der Gesellschaften; 6. durch Sicherung der Hypothekarrechte mittelst Anlage von Eisenbahnbüchern.

B. Durch Uebernahme des Baues wichtiger Linien unter eigener Leitung (TarnöwLeluchöw, RakonitzProtiwin, DivacaPola mit Zweigbahnen, TarvisPontafel, Donauuferbahn und mehrerer kleinerer Strecken).

C. Durch Förderung des Localbahnwesens, welches das Bahnnetz mittelst kleiner örtlicher Schienen­wege verdichten und vervollständigen sollte. Die hiezu getroffenen Maassnahmen waren: 1. Erleichte­rungen der Anforderungen bei Projectverfassungen und commissioneilen Verhandlungen (abgekürztes Ver­fahren); 2. zeitliche Steuer- und Gebührenbefreiung; 3. Herabsetzung der Anforderungen hinsichtlich der Ausstattung und Betriebsweise (Wegfall der Bahnschranken, Wärterhäuser u. s. w.); 4. unentgeltliche Ueberlassung des Strassengrundes. In den jüngsten Jahren erfuhr das Localbahnwesen weitere Förderung durch die Initiative der Länder, voran Steiermark, später Böhmen, Oberösterreich u. s. w., in Form von: 5. Landessubventionen; 6. Schaffung von Landes-Eisenbahnämtern und Eisenbahnräthen. Es entstanden von 1880 ab in kurzer Zeit an 80 Localbahnen, von denen manche ursprünglich als Hauptbahnen geplant waren.

D. Endlich wurde in dieser Periode die Verstaatlichungsaction augebahnt, indem sich der Staat bei subventionirten Linien das Rücklösungsrecht sicherte, ja sich die Berechtigung zusprach, die Mit­benützung privater Strecken erwirken zu können.

Die siebente Periode von 1880 bis zur Gegenwart können wir als Zeitraum der Wiederaufnahme der Verstaatlichung und der ruhigen inneren Ausgestaltung bezeichnen. Das Verstaatlichungsprincip wurde zum Durchbruche gebracht, indem zunächst durch Uebernahme des Betriebes, hierauf durch Ab­lösung einzelner Privatbahnlinien, sowie durch Einführung des Staatsbetriebes auf den vom Staate selbst gebauten Linien ein Grundstock gelegt und später allmählich erweitert wurde. Am Schlüsse des Jahres 1885 standen bereits über 5000 Kilometer Staatsbahnen im Betrieb. Die Verstaatlichungsaction war durch _die erfolgreiche freiwillige Convertirung von Prioritätsanlehen einzelner Linien, welche über die Schwierig­keit des Währungsstreites und der daraus entstandenen Couponprocesse hinweghalf, wesentlich gefördert worden. Der erfolgreiche Bau der Arlbergbahn und anderer Staatslinien wendete dem Staate auch in dieser Hinsicht alles Vertrauen zu. Leider gelang es nicht, die Verstaatlichung der Kaiser Ferdinands- Nordbahn durchzusetzen, und wurde hiedurch in die fortschreitende Action eine Bresche gelegt.

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