Als besonders interessant müssen wir der bei den längeren Tunnels jener Periode zur Anwendung gekommenen Hilfsbauten, der Stollen und Schächte, gedenken, die angelegt wurden, um gleichzeitig mehrere Angriffsstellen zu erhalten und dadurch den Bau zu beschleunigen. So kamen beim Semmering-Haupttunnel (1430 Meter) sechs verticale und drei geneigte Schächte zur Anwendung; bei den Bauten am Brenner drang man mittelst Seitenstollen gegen die Tunnelachse vor. Auch der zweitlängste Tunnel Oesterreichs, jener von Spitzberg der Linie PilsenEisenstein, wurde durch Vermittlung von Schächten erbaut.

Die ausserordentliche Ausbildung, die das maschinelle Bohren erfuhr, das in Oesterreich in primitiver Weise zuerst bei den Karstbahntunnels, später in Combination mit einer hydraulischen Anlage mit grossem Erfolg durch die Bauunternehmung Schwarz am Sonnsteintunnel nach dem System Brandt zur Anwendung gekommen war, die Erfahrungen vom Mont Cenis und Gotthard, die Einführung brisanter Sprengmittel, so des Dynamits, brachten es mit sich, dass der längste Tunnel Oesterreichs, jener von Arl­berg, bei 10.247-5 Meter Länge ohne Zwischenanlagen geschaffen werden konnte. Der Bau dieser Ver­kehrsanlage, bei welcher auf der Westseite ein grösster Tagesfortschritt von 8-4 Meter, auf der Ostseite ein solcher von 8-2 Meter erzielt wurde, und bei dem man alle Erfahrungen, die bis dahin gemacht worden waren, verwerthete, der aber auch alle seine Vorgänger an Raschheit des Stollenvortriebes und der Vollendungsarbeiten, Zweckmässigkeit der Förderung (Stangenförderung) übertraf, bildet ein Ruhmes­blatt in Oesterreichs Baugeschichte.

Die Tunnelbauten der Wiener Stadtbahn, die Ueberwölbung der Einschnitte, die Einführung des eisernen Vortriebes am Tunnel unter der Türkenschanze zeigen, dass Oesterreich auch auf diesem Gebiete ganz auf der Höhe des Fortschrittes steht.

Eine weitere grosse Aufgabe liegt vor uns. Für die Ueberquerung der Tauern wurden bereits zehn verschiedene Varianten studirt, von welchen z. B. die besonders wichtige Gasteiner Linie einen Tunnel von 8470 Metern erfordert. Die Fortsetzung der Tauernbahn gegen Triest, möge sie durch den Predil-, den Loiblpass oder durch die Karawanken als Wocheiner Linie geführt werden, bedarf in allen Fällen der Anlage von Tunnels, welche Längen von 4680 bis 8600 Meter aufweisen, also den längsten dies­bezüglichen Bauten der Welt sich würdig anreihen werden.

Die Herstellung von Tunnels unter W r asser, eine Aufgabe, die beim Bau unserer Untergrund­bahnen und bei der Ouerung unserer Flüsse noch vielfach an den Ingenieur herantreten wird, hat von Oesterreich aus eine mächtige Förderung erfahren. Die 1873 von Professor Winkler gelegentlich des Entwurfes einer Wiener Tunnelbahn zuerst planlich erläuterte Idee, Tunnels stückweise, wie die Caissons von Brückenpfeilern, zu versenken und nachher die schildartigen Zwischenwände zu beseitigen, hat mit entsprechenden Verbesserungen beim Bau des Alimentationscanals in Nussdorf, dessen war schon gedacht, die erste erfolgreiche Anwendung gefunden.

Die Ausbildung des Eisenbahnoberbaues hat in Oesterreich gleichen Schritt mit dem Auslände gehalten; insbesondere haben sich um die Einführung und Ausgestaltung des eisernen Oberbaues, der heute immer mehr den Holzschwellenoberbau verdrängt, österreichische Insrenieure grosse Verdienste erworben. Wir nennen unter anderen v. Stochert, Hohenegger, Battig, Altinger, sowie Heindl, dessen eisernes Ouerschwellensystem heute auf den k. k. Staatsbahnen vielfach zur Anwendung gelangt, wir gedenken der Weichensicherungen von Paravicini und Clement, der Signaleinrichtungen von Bender, Rothmüller u. a., gelangen aber hiebei auf ein Specialgebiet, das wohl in einer ausführ­lichen Geschichte des Eisenbahnwesens, nicht aber in dem engen Rahmen behandelt werden kann, der unserer Arbeit zugemessen ist.

Die ersten steinernen Brücken der österreichischen Bahnen waren meist Ziegelbauten mit mässigen Lichtweiten, die selten 20 Meter überschritten, sich aber oft im Interesse günstiger Traceführung durch grosse Längen auszeichneten; so der 637 Meter lange Viaduct der Nordbahn bei Brünn, der 1111 Meter lange Steinviaduct in Prag, die über 3000 Meter lange Brücke über die Lagunen von Venedig. Ghegas Meisterhand schuf die ersten Etagenbrücken, mit denen die bis 40 Meter tiefen Schluchten am Semmering überwölbt wurden. Mustergiltige schiefe Brücken, nach den Regeln des Steinschnittes gebildet, kamen insbesondere auf den südlichen Linien durch Hei der in Anwendung. Am Brenner führte Pressei Ver­einfachungen ein, um auch dort die Steinconstruction dem Eisen vorziehen zu können, schwierige schiefe Objecte dagegen überhaupt zu vermeiden. Hier kamen bei Atzwang und Mauls schon Spannweiten von 25-4

66