Werk, welches über die bauliche Zukunft Wiens entschied, und erblickte namentlich eine arge Verletzung ihrer Auto­nomie in der neuen Wiener Bauordnung vom 23. September 1859, welche die Entscheidung in den wichtigsten Bau­angelegenheiten einer dem Ministerium des Innern untergeordneten Baudeputation überantwortet hatte. Doch blieben alle communalen Proteste und Rechtsverwahrungen ungehört und unerledigt.

Die Regierung führte das grosse Unternehmen durch ihr Organ, die Stadterweiterungs-Commission, selb­ständig durch, und der Gemeinde verblieb kein anderer Ausweg, als durch Vereinbarungen mit der Regierung die ihr zugefallenen Lasten zu erleichtern und das Zustandekommen jener Neuschöpfungen zu ermöglichen, welche das Emporblühen der Stadt und das öffentliche Wohl der Bevölkerung in so ausserordentlicher Weise fördern sollten.

Fasst man die Verhältnisse unbefangen und gerecht ins Auge, so muss man zugestehen, dass die Regierung die Interessen der Gemeinde in allen wichtigen, die Verschönerung und Erweiterung Wiens berührenden Fragen vollauf berücksichtigte, und insbesondere war es der Kaiser selbst, der in seinem Wohlwollen für das Gedeihen und das Emporblühen der Residenz überall fördernd und unterstützend eingegriffen hat. Auch die finanziellen Lasten der Commune hat die Regierung ohne irgend welche Verpflichtung in zahlreichen Fällen spontan erleichtert.

Schon am 29. März 1858 begann lange vor Feststellung des Planes, auf speciell kaiserlichen Befehl die Demolirung der Basteien und Ausfüllung der Stadtgräben. Nach Monatsfrist war die ganze Strecke in der Verlängerung der Rothenthurmstrasse von Kasematte Nr. 41 bis zur Rothenthurmstrasse blossgelegt und wurde durch das Kaiserpaar im Beisein des Staatsministeriums und Gemeinderathes unter Bürgermeister Dr. Ritter v. Seiller am 1. Mai 1858 in feierlichster Weise eröffnet. Sie erhielt den Namen Franz Josephs-Quai.

Die Gesammtkosten der Basteidemolirungen beliefen sich von 1858 bis 1887 auf 1,342.368 fl., die der Bastei­häuser (125) auf 8,672.775 fl., zusammen auf 10,015.143 fl.

Auf Kosten des Stadterweiterungsfon des wurden ausgeführt: Die kunstvollen neuen Gitter am Volks- und Kaisergarten, die neue Hofburg, die beiden Hofmuseen, das Hofburgtheater, das Hofoperntheater, das Maria Theresien- Monument, die Aspernbrücke. Die Gesammtkosten betrugen bis Ende 1887 46,500.000 fl.; hievon entfielen 28,317.000 fl. für obige Bauten.

Der Stadterweiterungsfond leistete ferner Beiträge zur Erbauung der Votivkirche, des Rudolf-Spitals, der Elisabethbrücke, des Schiller-Denkmals, des Beethoven-Denkmals, des Mozart-Denkmals, des Liebenberg-Denkmals und des Denkmals der Türkenbefreiung mit insgesammt 1,500.000 fl.

Der Staat betheiligte sich an der Neugestaltung Wiens mit der Erbauung des Parlaments, des Arsenals, mehrerer Kasernen und militärischer Anstalten, des Justizpalastes, der Universität, des chemischen, pathologischen und anatomischen Institutes, der Sternwarte, des österreichischen Museums, mehrerer Mittel- und Gewerbeschulen und anderer Unterrichtsanstalten, des Rudolf-Spitals, des Wiedener Krankenhauses, des Infections-Spitals an der Triester- strasse, schliesslich durch erhebliche Beiträge zur Restauration des Stefans-Domes.

Der Kaiser selbst errichtete Denkmäler dem Erzherzog Karl, dem Prinzen Eugen, dem Fürsten Schwarzen­berg und endlich das Sühnhaus am Schottenring, er förderte durch namhafte Beiträge die Restaurirung des St. Stefans­domes, Kirchen- und humanitäre Bauten, sowie zahlreiche öffentliche Denkmäler.

So bereitete sich, wie wir in grossen Zügen geschildert, jene imposante Bauära vor, welcher in der Geschichte der Städte-Architektur nur wenige Epochen an die Seite gestellt werden können, die ja auch heute noch lange nicht als abgeschlossen zu betrachten ist, nachdem sie vielmehr durch die grossen Neuschöpfungen, die Stadtbahn, die Wienflussregulirung und die Elektrisirung der Tramway, vor allem aber durch die Schleifung der Linienwälle an einem neuen, nicht minder aussichtsreichen Wendepunkte angelangt ist.

Welches Feld sich der Bau-Industrie eröffnete und welche ausserordentlichen Maassnahmen die Regierung ergriff, um die anfänglich nur träge Baulust anzufachen, wie aber bald das Bauspeculantenthum und leider auch der Bauschwindel üppig in die Halme schoss das alles steht noch in viel zu frischer Erinnerung, um hier des aus­führlichen gewürdigt werden zu müssen. Dass aber trotz all dieser Schwankungen und Fluctuationen der Baubewe­gung und der von politischen und wirthschaftlichen Momenten abhängigen Wiener Bauverhältnisse die grossen Auf­gaben der Stadterweiterung in so glänzender Weise gelöst wurden, dass diese selbst, die Anlage neuer Strassenzüge, die Verbauung neu gewonnenen Terrains in so organischer Weise sich vollzog, das ist wohl hauptsächlich dem Ein­greifen und der Wirksamkeit der drei grossen Baugesellschaften Wiens zu danken. Hier trat der segensreiche Effect streng wirthschaftlicher Association und grossindustriellen Schaffens eclatant in die Erscheinung. Die Bau­gesellschaften haben die Ringstrasse geschaffen und das neue Wien erbaut, und wenn, wie einst, die Ziegel die Namen der Architekten eingeprägt trügen, würden spätere Jahrtausende selbst in Ruinen noch auf den Steinen lesen können, was die grossen Directoren und Baumeister der Gesellschaften für Wien geleistet haben.

Ein umfassendes Resume des Antheils jeder der drei Gesellschaften an der Wiener Stadterweiterung geben die nachfolgenden Monographien der Allgemeinen Oesterreichischen Baugesellschaft, der Union-Baugesellschaft und der Wiener Baugesellschaft.

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