wurde dadurch so stark abgekürzt, dass es eigentlich erst jetzt möglich war, das Gesicht einer Person ohne Schwierigkeiten zu porträtiren. Der Erfolg übertraf alle Erwartungen, indem die Firma Voigtländer schon während der ersten zehn Jahre über 1500 Stück Porträtobjective erzeugte und in alle Welt versandte. Die Vortrefflichkeit der Petzval-Voigtländer’schen Objective fand aber nicht sofort die gebührende Anerkennung.
Die Société d’encouragement in Paris ertheilte dem französischen Optiker Chevalier 1842 für ein ungefähr zur selben Zeit ausgeführtes Doppelobjectiv den ersten Preis (Platinmedaille), der Firma Voigtländer aber nur die silberne Medaille. Die erstere Objectivform verschwand aber selbst in Frankreich bald aus der Praxis, während Petzval’s Porträtobjectiv mit Recht ungeheuere Verbreitung fand (auch in Frankreich) und noch heute besitzt.
Ende der Vierzigerjahre vollzog sich in Wien insoferne eine Aenderung in der Fabrication der Objective, als Petzval, durch persönliche Differenzen mit Voigtländer veranlasst, sich von diesem trennte, so dass Letzterer selbstständig allein weiterarbeitete, während Petzval mit einem anderen Wiener Optiker, Karl Dietzler, 1 ) in Verbindung trat.
Voigtländer, verstimmt durch die Zwistigkeiten mit Petzval, verlegte im Mai 1849 sein optisches Institut nach Braunschweig, wo seine Familie verwandtschaftliche Beziehungen hatte. Dietzler erzeugte in den Fünfzigerjahren gleichfalls vortreffliche Porträtobj ective und brachte 1857 ein neues, von Petzval berechnetes Landschaftsobjectiv (Orthoskop) in den Handel. Dietzler bezog für seine Fabrication das nöthige Crown- und Flintglas nach Petzval’s Angaben aus England (durch die Firma Josef Voigt am Hohen Markt in Wien), kam jedoch durch mangelhafte finanzielle Gebahrung in Zahlungsverlegenheit, so dass er das theure optische Glas nicht bezahlen konnte, den guten Ruf seiner Objective schwer schädigte und die Fabrication bald wieder aufgeben musste.
M. Weingartshofer, welcher kurze Zeit Dietzler’s Gesellschafter war, begann 1854 selbst Objective in Ober-Döbling (Theresiengasse) nach Petzval’s Systém zu erzeugen, wobei er die guten Voigt- schen Glasvorräthe, welche Dietzler nicht bezahlen konnte, auf kaufte und verarbeitete; als diese nun zu Ende waren, begannen unüberwindliche Schwierigkeiten. Petzval war zur Einsicht gekommen, dass er durch die Verbindung mit Dietzler einen Missgriff begangen habe, und zog sich in grosser Verstimmung von allen Geschäften zurück.
Die Wiener Optiker, welche sich ausser den Genannten damals noch mit der Erzeugung photographischer Objective befassten, waren: Franz X. Waibl (seit Ende der Vierzigerjahre in Mariahilf, Breitegasse), Eckling und Prokesch (Gumpendorferstrasse). Sie lieferten bis zum Anfang der Sechzigerjahre hauptsächlich Porträtobjective ; um das Jahr 1866 erlosch dieser seiner wissenschaftlichen Führung beraubte Fabricationszweig in Oesterreich.
Erst im Jahre 1890 griff die Firma Karl Fritsch (Prokesch’s Nachf.) in Wien die Objectiverzeugung mit Erfolg wieder auf (Antiplanate nach den von Steinheil in München erfundenen Typen, Zeiss- Anastigmate und auch eigene aplanatische Constructionen), ohne dem gewaltigen ausländischen (hauptsächlich deutschen) Import die Spitze bieten zu können.
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Bis zur Zeit des Regierungsantrittes Kaiser Franz Josef I. im Jahre 1848 und ziemlich lang darüber hinaus wurde in Wien die Daguerreotypie mit grosser Vollkommenheit ausgeübt; 2 ) namentlich waren auch colorirte Daguerreotypien beliebt.
Bereits in der Mitte der Vierzigerjahre aber hat allmählich ein Umschwung in der Herstellungsweise der Photographie begonnen, indem man jene Verfahren bevorzugte, welche die Herstellung von photographischen Negativen und die Anfertigung einer grösseren Anzahl Copien nach diesen gestatteten. Es verschaffte sich die von Talbot in England erfundene Photographie auf Papier (Talbotypie) Eingang. Diese Methode hatten wohl zuerst, 1844, zwei Frankfurter, Tanner und Gerathwohl, nach Wien gebracht, welche ein eigenes Atelier errichteten. 3 )
’) Dietzler’s Werkstätte befand sich im sogenannten »Mondscheinhaus« (Wieden).
2 ) Berufsmässige Daguerreotypisten waren: Albin Mutterer, Strezek u. A. — Verbesserungen in der Technik der Daguerreotypie veröffentlichte Dr. Natterer in Wien (Chlor und Chlorschwefel zum Räuchern der Silberplatten; derartige Daguerreotypien befinden sich in den Sammlungen der k. k. Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt), ferner Prechtl, Martin u. A. — Ueber Geschichte der Daguerreotypie siehe Eder’s »Geschichte der Photochemie und Photographie« (Bd. I seines »Ausführlichen Handbuches der Photographie«, 2. Auflage).
3 ) Prof. Wilh. Fr. Dr. Exner, Beiträge zur Geschichte der Gewerbe und Erfindungen Oesterreichs. 1873. (Das Capitel: »Photographie«, S. 512, bearbeitet von A. Martin.)