Die Umwandlung der älteren Daguerreotyp-Ateliers in solche, welche Papierbilder lieferten, nahm um das Jahr 1846 grössere Ausdehnung an. Der Bibliothekar des Polytechnicums A. Martin und Director Prechtl arbeiteten zur selben Zeit praktisch mit dieser Methode und theilten ihre Erfahrungen mit. Das Papier lieferte hiefür F. Theyer in der Kärnthnerstrasse, die Präparate wurden bei den Apothekern bezogen, von welchen sich einige (namentlich A. Moll seit 1854) später specialisirten und die Beschaffung richtiger Chemikalien erleichterten.
Die Herstellung der Papiernegative (Talbotypie) erhielt sich bis in die Fünfzigerjahre 1 ), bis sie vom Collodionverfahren verdrängt wurde. Die Erfindung des nassen Collodionverfahrens 2 ) mit Jodsalzen und Silberbad durch Le Gray in Paris (1850) und seine Verbesserung durch Archer in England hatte die Erzeugung tadelloser Negative auf Glas bei gleichzeitiger bedeutender Abkürzung der Belichtungszeit ermöglicht.
Um das Jahr 1852 fand das Collodionverfahren in Oesterreich Eingang. Es wurden die Copien
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auf gesilberten Salzpapieren hergestellt und häufig colorirt. Vorübergehende Aufmerksamkeit und ziemlich viel Absatz erzielte die von Wulff 1853 in Paris erfundene und bald darauf nach Oesterreich verpflanzte Pannotypie (Collodionbilder auf Wachsleinwand), welche namentlich reisende Provinzphotographen bis anfangs der Sechzigerjahre ausführten, wonach das minderwerthige Verfahren wieder verschwand. Erst in den Siebzigerjahren tauchten die mit diesem Processe einigermaassen verwandten Ferrotypien oder »amerikanischen Schnellphotographien« auf Eisenblech an mehreren Vergnügungsorten in Wien (im Prater, am ^Kahlenberg, Dornbach etc.), sowie an Wallfahrtsorten (Mariazell etc.) auf.
Das negative Collodionverfahren auf Glas aber behauptete sich seit dem Ende der Fünfziger- bis in die Achtzigerjahre, und mit seiner Einführung begann der Aufschwung der Photographie als Gewerbe und als Hilfsmittel für Kunst und Wissenschaft.
Dieses Verfahren wurde sowohl von den Berufsphotographen für Porträts, Landschaften etc., als auch von den damals, zufolge der unbequemen photographischen Technik, spärlich vorhandenen Amateurphotographen 3 ) angewendet.
Den grössten Aufschwung erfuhr die Porträtphotographie durch die Einführung der Porträt-Visit- kartenbilder, welche zuerst von Disderi, sowie von Delessert in Paris (beiläufig 1855) in die Mode gebracht und in Wien hauptsächlich von Ludwig Angerer um das Jahr 1857 eingeführt wurden. Die Copien wurden auf Albuminpapier hergestellt. Die photographischen Ateliers hatten enormen Zuspruch und konnten den massenhaften Bestellungen kaum folgen. Anfangs wurde sehr viel Positiv-Retouche angewendet. Der Erste, welcher die Negativ-Retouche regelmässig in seinem Geschäftsbetriebe der Porträtphotographie einführte, und die Positiv-Retouche thunlichst vermied, war Rabending (1860) in Wien, welcher wohl einer der ersten Photographen in Europa war, der diese Richtung inaugurirte. Die Positiv-Retouche und das Bemalen der Papierbilder (was sich auf Albuminpapier schwer ausführen liess) trat mehr und mehr zurück. Das glänzende Albuminbild mit seinen purpurvioletten Farbentönen wurde modern, und zahlreiche Porträt- Ateliers in Wien errangen einen wohlbegründeten Ruf (Gertinger, Ivroh, Maler Küss, Cramolini, Homolatsch, Mahlknecht, Ludwig und Victor Angerer, Rabending, Jagemann, Luckardt, Székely, Löwy, Adèle, Kriwanek, Winter, Wrabetz, Hahn, Schiller, Huber, in neuester Zeit besonders Pietzner, welcher Ateliers in Teplitz, Brünn und Wien besitzt, Bude und Meyer in Graz, Benque in Triest, Eckert, Langhans und Thomas in Prag, Red in Linz, Alois Beer in Klagen- furt u. A.).
Das nasse Collodionverfahren eignete sich wenig für Reisen und speciell für Aufnahmen im Hochgebirge, da stets Arbeitszelte oder Dunkelkammern mitgenommen werden mussten, und grosse Hitze, sowie Kälte die Arbeit erschwerten. Den ersten grossen photographischen Landschaftsverlag alpiner Gegenden gründete der von München nach Salzburg (1860) übersiedelte Kupferstecher F. Würthle. 4 )
’) Solche Bilder machte z. B. Koberwein am Dominikanerplatz in Wien, Lafranchini, ferner Andreas Groll (Dreihufeisengasse). Am längsten erhielt sich die Anwendung der Daguerreotypie für Landschafts- und Gruppenaufnahmen. Später wurden die letzteren häufig nach zerschnittenen Papiernegativen zusammengestellt und copirt.
2 ) Ueber die Geschichte des nassen Collodionverfahrens vgl. Eder’s »Ausführliches Handbuch der Photographie^ 2. Auflage, Bd. II, S. 167; ferner Photogr. Correspondenz. 1891, S. 148 und 254.
3 ) Dazu gehörten in den Fünfziger- und Sechzigerjahren: Hofgartendirector Antoine (botanische Aufnahmen), die Polytechnicums- Professoren Dr. J. J. Pohl (Mikrophotographien, Landschaften), Wesselsky (Blumenstudien, Momentbilder von zahmen Hirschen im Prater), Realschulprofessor Dr. E. Hornig, Bosch, Ludwig Ritter v. Kriehuber, Chemiker und Photograph, Fürst Schwarzenberg (anfangs der Sechzigerjahre), Achilles v. Melingo (Aufnahmen von Ischl und Baden bei Wien), Graf Wilczek 1871, Anton Widter (Alterthümer) u. A.
4 ) Bis 1874 als Firma Baldi & Würthle, später als Würthle & Spinhirn bis gegen 1892, gegenwärtig als Würthle & Sohn in Salzburg.
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