Wenn wir bei diesem Rückblick die Hauptstadt des Reiches vor Augen gehabt haben, welche immer die führende Rolle inne hatte, müssen wir abschliessend daran erinnern, dass auch andere Städte in den Provinzen schöne Erfolge durch die allerdings erst in eine spätere Zeit fallende Einführung der Technik des Steindruckes zu verzeichnen haben. In erster Linie stehen hier Graz, Prag, Reichenberg, Teplitz, Brünn etc. In letzterer Stadt stellte Adolf Trassier (der Vorgänger Rud. M. Rohrers) bereits im Jahre 1824 die erste Steindruckpresse auf; neben dieser Firma dürfte die Steindruckerei von Carl Wilh. Medau in Leitmeritz eine der ältesten Anstalten der nördlichen Kronländer sein; sie gieng später an A. Haase in Prag über, welcher heute besonders auf dem Gebiete des Aquarelldruckes Hervor­ragendes leistet; in Graz wären zu nennen August Matthey und Ernest Matthey. Des letzteren Ge­schäft wird seit dessen Ableben für Rechnung seiner Erben weiter geführt. Theilhaber dieser renommirten Firma ist der bekannte Künstler und Lithograph Ferd. Wüst. Die Anstalt J. D. Modiano in Graz unter­hält einen bedeutenden Export in Luxuspapieren nach dem Orient; in Reichenberg: Gebrüder Stiepel (auch Chromo-Papierfabrik); in Warnsdorf: Ed. Strache; in Kolin: Bayer; in Teplitz: Brüder Willner; in Triest: J. Strauschin; in Innsbruck: C. A. Czichna und Carl Redlich; in Tetschen: Hempel. Die Pflege des Steindruckes ist somit nicht auf die Metropole des Reiches beschränkt geblieben, sondern hat auch in anderen Orten erfolgreiche Aufnahme gefunden.

Die gemeinschaftlichen Interessen der Wiener Fachangehörigen vertritt ein »Gremium der Litho- graphen-, Stein- und Kupferdrucker«. Dasselbe besteht als solches seit dem Jahre 1884; als Vorsteher wirkten der Reihe nach: Conrad Grefe, Johannes Haupt, August M. Wrabetz und gegenwärtig Jos. Eberle.

Vom Jahre 18611884 waren die obigen Betriebe mit den Buchdruckern in einem Gremium vereinigt (Buch-, Stein- und Kupferdrucker etc.), welchem durch lange Jahre die Lithographen Ed. Sieger, sowie Johann Haller vorstanden. Vor dieser Zeit, und zwar von 1837 bis zum Jahre 1861, hatten die »Befugten Steindrucker«, wie sie damals hiessen, einfach einen »Ausschuss der Repräsentanten«, welcher die Interessen der Gesammtheit nach aussen und den Behörden gegenüber zu wahren hatte.

Im Jahre 1896 wurde der seit langer Zeit von den Gremialmitgliedern gehegte Wunsch erfüllt, eine den Bedürfnissen der Neuzeit entsprechende Fachschule zur Heranbildung von auch theoretisch gebildeten Jüngern der Kunst Senefelders ins Leben treten zu lassen, welche als Gremial-Fachschule den Titel »Fachliche Fortbildungsschule für Lithographen-, Stein- und Kupferdrucker-Lehr­linge« führt.

Die Erhaltung der Schule wird aus dem Schulfond bestritten, welcher vom Gremium besonders verwaltet wird und zu welchem in der munificentesten Weise von dem k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht, dem Magistrate der Stadt Wien, der niederösterreichischen Handels- und Gewerbekammer und dem Gremium der Stein- und Kupferdrucker Subventionen geleistet werden.

Der Unterricht in den beiden Jahrgängen der Fachschule wird auf Grund des (mit Erlass vom 5. März 1897) vom k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht genehmigten Lehrplanes, vorerst nur während der Abendstunden der Wochentage, ertheilt.

Dem Schulausschusse steht Joh. v. Kessler als Obmann vor; der Lehrkörper setzt sich aus den Herren JosefDichler, Karl Decker, Karl Kamp mann, Wilhelm Freiherr v. Münchhausen, Ferdinand Pamberger und Adolf Porsche zusammen.

Die Absolventen der beiden Jahrgänge der Gremialschule können auf Grund ihrer Zeugnisse, beziehungsweise einer Aufnahmsprüfung, in den zu activirenden »Specialcurs für Lithographie und Stein­druckwesen« an der k. k. Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt eintreten, an welcher bisher die Litho­graphie und Algraphie hauptsächlich nur mit Bezug auf die photographischen Techniken gelehrt wurden, und erhalten dort eine weitere fachliche Fortbildung.

Die Literatur des Steindruckes wurde durch manches schöne Werk österreichischer Autoren bereichert, wie z. B. L. Kohl, k. k. Hauptmann, »Praktische Anleitung zur Lithographie«, Wien 1820. Dr. Leo Berg­mann, Ingenieur in Wien, bearbeitete die II. und III. Auflage von Pescheks Werk über den Steindruck (184350), Johann Rauh: »Der praktische Steindrucker«, Wien 1863. Des ferneren sind zu nennen Regierungsrath G. Fritz: »Die Photolithographie«, 1894, und dessen im grossen Stile angelegtes »Handbuch der Lithographie und des Steindruckes«, 1897, sowie Friedrich Hesse: »Die Chromo-

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