Die Zeit von 1874 bis 1880 war eine Epoche der Stagnation auch im Creditwesen, und langsam wurden die Kräfte zum Wiederaufbau gesammelt. Die schwersten Wunden waren verharscht, Jahre des Friedens, welche für die Monarchie nur durch die anlässlich der Occupation Bosniens und der Herzego­wina geführten Kämpfe unterbrochen wurden, hatten wohlthätig gewirkt, ebenso die staatsfinanzielle Kräftigung der beiden Reichshälften. Die der Industrie und dem Handel, nicht minder aber der verpönten Börsenspeculation entzogenen Capitalien und Zinsenüberschüsse häuften sich und drängten nach neuer Verwendung. In Frankreich war eine Zeitr der Gründungen angebrochen, und in Deutschland regte es sich lebhaft auf allen wirthschaftlichen Gebieten. So konnte es nicht fehlen, dass mit der Zeit die Bewegung auch über unsere Grenzen griff. Die bleibende Frucht derselben für Oesterreich blieb, auch nach der grossen Pariser Krise des Jahres 1882, die k. k. priv. Oesterreichische Länderbank, welche 1880 mit französischem Capital in der Höhe von 40 Millionen Goldgulden ins Leben g-erufen wurde. Nachdem sie es verstanden hatte, sich von den Folgen des Pariser Zusammenbruches frei zu halten, war sie in der Lage, ihre reichen Mittel mit Verständnis und Energie der Industrie und dem Handel zur Verfügung zu stellen, und hat zweifellos das Verdienst, die Creditbedingungen verwohlfeilt zu haben. Dass ausser diesem einen grossen Bankinstitute neue Creditorganisationen in der nachkrachlichen Periode nicht ent­standen, versteht sich umsomehr von selbst, als die Regierung das Concessionirungswesen nunmehr mit der grössten Strenge handhabte. Von den in der Zeit des sogenannten »wirthschaftlichen Aufschwunges« entstandenen Banken waren 20 in Liquidation, 5 im Concurs, und bis zum Jahre 1880 wurden nur einige Landes-Hypothekenbanken, welche für Handel und Industrie nur indirecten Nutzen brachten, ins Leben gerufen. Die Sparcassen aber hatten sich wesentlich vermehrt; Ende 1880 betrug deren Zahl in Oester­reich 317 und ihr Einlagenstand näherte sich rasch der Milliarde. An Creditgenossenschaften und Vorschussvereinen, welche für die kleineren Industriellen und die Gewerbetreibenden von Bedeutung wurden, gab es zur gleichen Zeit 121. Industrie-Actiengesellschaften waren in der diesseitigen Reichshälfte 24g aufrecht geblieben, 44 der neubegründeten waren in Liquidation, 5 in Concurs gerathen. Die Zinsfussverhältnisse gestalteten sich in dieser Periode günstig. Die Oesterreichisch-Ungarische Bank konnte mit wenigen Unterbrechungen den Satz von 4 Procent aufrecht erhalten. Die Gesammt- circulation an Bank- und Staatsnoten betrug Ende 1880 rund 670 Millionen Gulden und war für die Bedürfnisse mehr als ausreichend. Auch das Agio erhielt sich ohne allzu bedeutende Schwankungen innerhalb der mässigen Grenzen von 1517 Procent.

Uebergehen wir nun die Zeit von 1880 bis 1890 mit ihrer ruhigen Entwickelung, welche sowohl der industriellen Production wie der Capitalsbildung bei stetig fallendem durchschnittlichen Zinsfuss besonders günstig war, und betrachten wir die Verhältnisse, wie sie sich Ende 1890 präsentirten, so finden wir auf fast allen Gebieten des heimischen Geld- und Creditwesens einen erheblichen Fortschritt, vor Allem aber eine sehr erfreuliche Consolidirung. Oesterreich verfügte um diese Zeit, einschliesslich der Notenbank, über 57 grössere Banken und Creditinstitute, von denen 18 ihren Sitz in Wien hatten und die zusammen über ein eingezahltes Actien- und Garantiecapital von 297 Millionen Gulden und Reserven von circa 61 Millionen verfügten. Ausserdem bestanden nebst der 1883 gegründeten k. k. Postsparcasse, deren Bedeutung speciell für die Industrie wir noch würdigen wollen, 414 öster­reichische Sparcassen, deren Einlagenstand sich Ende 1889 auf 1235 Millionen Gulden belief, wovon allerdings nur der bescheidene Bruchtheil von 53-4 Millionen im Wechselescompte verwendet war. Die Decentralisation des Credites hatte durch die Vermehrung der österreichischen Bankfilialen auf 33 und durch die Errichtung von 67 Bank-Nebenanstalten Fortschritte gemacht; noch grössere Förderung und Er­leichterung aber fand das industrielle Geld- und Creditwesen Oesterreichs durch die Errichtung der Postsparcasse, welche wir dem frühverstorbenen Coch verdanken. Durch die Etablirung des Check­verkehres ist das gesammte Incasso, sind die Zahlungsmodalitäten von Grund aus umgeändert worden und haben auch die Creditverhältnisse von Handel und Industrie eine wesentliche Besserung erfahren. Im Jahre 1889 hatten die Umsätze im Anweisungs- und Clearingverkehr der Postsparcasse bereits 1521 Millionen Gulden erreicht, um von da ab fortgesetzt rapid zu steigen. Bei dem sonstigen, schwach entwickelten und schwer einzubürgernden Checkverkehr in Oesterreich gestaltete sich die Postsparcasse zum wahren Segen für unsere Industrie und unseren Handel. Von neuen grösseren Banken waren ausser der bereits erwähnten Länderbank in dieser Periode nur die Wechselstuben-Actiengesellschaft »Mercur« (1887) und die Niederösterreichische Landes-PIypothekenbank (1889) in Wien entstanden.

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