HEINRICH ROHRS

K. u. K. LANDESBEFUGTE FABRIK für MÖBEL und DECORATIONS-ARBEITEN,

KUNSTTISCHLEREI

PRAG BUBENC.

ie Möbelfabrik He i nr i c h Rohrs wurde im Jahre 1816 vom Grossvater der gegenwärtigen Inhaber, Friedrich Rohrs, als Tischlergeschäft gegründet. Die Entstehung des Hauses fällt somit in eine Periode, in der gewerbliche und industrielle Production in ganz andere Formen gekleidet waren als heutigen Tages. Damals wurde die Ervverbsthätigkeit jeder Art durch die beschränkenden Fesseln des Zunft­zwanges noch in engen Schranken gehalten, und der Unternehmungsgeist der Geschäftsleute konnte schwer zur Entfaltung gelangen, da ihm doch die wichtigste Waffe im wirthschaftlichen Kampfe, die freie Concurrenz, durch die Zunftsatzungen genommen war. Während so auf der einen Seite die Organisation der Arbeit dem Auf­kommen der Grossbetriebe ungünstig war, stand andererseits das Maschinenwesen noch auf der ersten Stufe der Entwickelung, und es fehlten zum weitaus grössten Theile die mächtigen technischen Behelfe, welche der mensch­liche Erfindungsgeist dem industriellen Schaffen in der Folge an die Hand gab. So zeigte denn im Anfänge das Röhrssche Tischlergeschäft das charakteristische Bild des handwerksmässigen Kleinbetriebes, gekennzeichnet durch das starre Festhalten an den überkommenen Formen der Arbeitsart, aber auch an der streng gewahrten Reellität und Solidität. Jahrzehnte lang betrieb der Gründer in dieser Weise sein Gewerbe, welches ihn redlich ernährte.

Nach dessen Tod gieng das Geschäft auf seinen Sohn und langjährigen Mitarbeiter Heinrich Rohrs über, der dem Unternehmen den Namen gegeben hat, den es noch heute trägt. Heinrich Rohrs wurde unter ganz anderen Verhältnissen zur selbstständigen Arbeit berufen, als es jene waren, unter denen sein Vater das Gewerbe antrat. Inzwischen hatte nämlich die Gewerbefreiheit Geltung errungen, die Dampfkraft war siegreich in die Be­triebe aller Art eing-ezogen und hatte den Menschenhänden die schwerste und aufreibendste Arbeit abgenommen, sinnreiche Werkzeugmaschinen traten in Function, welche die Leistung des Arbeiters um ein Vielfaches übertrafen. Dieser epochale Umschwung im Wirthschaftsleben bot Heinrich Rohrs die Gelegenheit zu einer umfassenden und erfolgreichen Thätigkeit, durch die er den eigentlichen Grundstein zur heutigen Bedeutung der Firma legte. Das früher im bescheidensten Umfange betriebene Tischlergewerbe entwickelte sich unter ihm allmählich zum industriellen Unternehmen und dehnte seinen Geschäftsbereich weit über die Grenzen seines Standortes aus. Das Hauptverdienst Heinrich Rohrs ist es, den vom Vater überkommenen handwerksmässigen Betrieb zur maschinellen Productionsweise übergeleitet, aus der Tischlerwerkstätte eine Möbelfabrik geschaffen zu haben; damit Hand in Hand musste natur- gemäss auch eine vollständige Neugestaltung der commerziellen Organisation des Geschäftes gehen, welche der er­höhten und verbesserten Production den geeigneten Absatz sicherte. Die Schwierigkeiten, welche sich Heinrich Rohrs bei der Lösung dieser Aufgabe in den Weg legten, dürfen nicht unterschätzt werden; ist ja doch zu be­denken, dass speciell im Tischlergewerbe damals der Fabriksbetrieb noch keinen festen Boden gefasst hatte, dass Heinrich Rohrs bei der Realisirung seiner Bestrebungen nicht an fremde Beispiele sich anlehnen konnte, sondern bei seinen Arbeiten ausschliesslich auf die eigenen Kenntnisse und Erfahrungen angewiesen war. Es galt, das für den Maschinenbetrieb allerwichtigste Princip der Arbeitstheilung praktisch zur Durchführung zu bringen, es mussten geeignete Arbeitsmaschinen und Werksvorrichtungen zur Aufstellung gelangen, die dazumal lange nicht so vervoll­kommnet waren, wie es gegenwärtig der Fall ist. Natürlich fehlte es nicht an Gegnern, welche die fortschrittlichen Ideen, die Rohrs in seinem Gewerbe vertrat, mit aller Macht bekämpften und auf diese Weise die zunftmässigön Formen aufrecht zu erhalten hofften. Glücklicher Weise waren deren Bemühungen vergebens. Heinrich Rohrs hatte die Genugthuung, seine Thätigkeit von Erfolg gekrönt zu sehen.

Allerdings war die Zeit, in welche seine Wirksamkeit fällt, für die Möbel-Industrie eine besonders günstige. Die Sechziger- und Siebzigerjahre bedeuteten für diese sowie für das österreichische Kunstgewerbe überhaupt eine wichtige Epoche des Aufschwunges. Namentlich die Weltausstellungen in London 1851 und 1862, Paris 1855 hatten das Verständnis der Producenten und Käufer für stilvolle und gediegene Waare geweckt und auf den Geschäfts­verkehr im Kunstgewerbe befruchtend eingewirkt. Naturgemäss konnte das Etablissement Rohrs, welches nach

Die Gross-Industrie. VI.

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