109
Größer noch, als der Glaube der Araber ist ihr Aberglaube. Man erstaunt über Dinge, welche wir schon in unserer Jugend belächeln lernten, wenn abergläubige Wärterinnen sie erzählten, in Egypten in anderer Form wiedererzählen zu hören, und ich bemerkte mit Verwunderung, daß der tollste Unsinn mit vollster Ueberzeugung geglaubt wird. Gespenster- und Geister-, Teufels- und Spukgeschichten spielen in der arabischen Phantasie eine Hauptrolle. Man findet in Kairo und Bulakh schöne Häuser leer stehen, weil es darin umgehen soll, man fürchtet sich, Nachts an einem Fried- hofe oder Schechsgrabe vorüberzugehen, wenn letzteres sich nicht gerade mitten im Orte befindet. Man glaubt an gespensterische Erscheinungen, ja, man glaubt, daß jeder Fleck Erde von einem Geiste bewohnt wäre. Kein Araber wirft eine Last zu Boden, keiner schüttet Wasser auf die Erde, keiner spuckt aus, ohne vorher zu sagen „Tastuhr!" — siehe dich vor! — weil er fürchtet, damit einen Geist treffen zu können, der sich dann wahrscheinlich rächen würde. Keine Mutter sieht ihr Kind fallen, ohne das erwähnte Wort oder „Ja sshttr!" — Du Bewahrer, Behüter, Beschützer (hilf)! — auszurufen. Leidet das fallende Kind dennoch Schaden, dann hat eS jedenfalls einen bösen Geist berührt, bei welchem solche Ermahnungen zur Vorsicht Nichts fruchten. Man fürchtet das gehässige Auge, welches Dem, auf dem es haften bleibt, Schaden bringt, fürchtet Zauberer und Heren, glaubt an die Wunderkraft von Reliquien, Amuletcn und dergleichen und ist bei jedem Zufalle bemüht, zu unnatürlichen Erklärungen seine Zuflucht zu nehmen.
Ich beschließe diesen Abschnitt mit einigen Bemerkungen über den, zur Zeit meines Aufenthaltes, regierenden Vizekönig Aabahs- Pascha, die unter seinen Befehlen gehandhabte Justiz und deren Vollstrecker, die Soldaten, ohne in die Einzelheiten des Regierungswesens — worüber ich hier und da einige Mittheilungen Angeschoben habe — einzugehen. Wer sich damit genauer bekannt machen will, den verweise ich auf Russegger'S Reisewerk und