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Wenn wir so durch das uralte, ewig neue, immer wechselnde Gewühl des Volkes hinrciten, treffen wir häufig auf Persönlichkeiten, die wir eben nur in Kairo beobachten können, weil sie uns nirgends so häufig aufstoßen, wie gerade hier. So sehen wir einen phantastisch gekleideten Menschen langsam durch das Volk sich bewegen. Er ist mit einer seltsamen, zerrissenen Kutte bekleidet, die von einem Stricke oder irgend einem Lumpen zusammengehalten, auf der Brust offen und mit allerlei Zicrrathen behängen ist. Auf dem Kopfe sitzt ihm eine spitze Filzmütze, wie bei uns zu Lande dem Bajazzo einer Seiltänzergesellschast; sie ist mit Straußenfedern geschmückt oder mit Pelz verbrämt und beschattet ein unendlich pfiffiges, aber gefährliches Gesicht, welches von lang herabfallenden, wirr durch einander hängenden, kohlschwarzen Locken und einem ebensolchen Barte eingerahmt wird. In der einen Hand trägt er einen mahammedanischen Rosenkranz (Subcha) mit neunundncun- zjg riesigen Kugeln von schwarzem Ebcnholze, in der anderen einen langen Stab, an dessen oberem Ende bunte Lumpen fahncnartig flattern. Es ist ein Dcrwihsch oder mahammedanischcr Mönch, von dem Volke mehr gefürchtet, als geachtet, Einer von Denen, welche unter dem Deckmantel geheuchelter Frömmigkeit eine Unzahl von Betrügereien und anderen Schlechtigkeiten ausüben, durch Benutzung des Aberglaubens des Volkes sich bereichern, wo sie nur können, von einem Dorfe zum anderen schleichen, auö einer Stadt in die andere sich betteln, überall gefürchtet und nur geduldet sind, weil sie vorgeben, um der Religion und des heiligen Propheten — rLIIali inusklioin >vn sellsiu aalo'üru! — willen schwere Wallfahrten zu unternehmen, Entbehrungen jeder Art zu ertragen und ruhelos von einem Ende des Landes zum anderen zu pilgern. Allerdings gibt es schwach- und blödsinnige Mahammedaner, welche im Ernste glauben, durch ähnliche Wanderungen Gott die Ehre zu geben, um der Religion und des Propheten willen Weib und Kind verlassen, ihren Leib kasteien und ein ruheloses, nur religiösen Uebungen geweihtes Leben führen zu müssen; allein diese sind nicht mit jenen zu verwechseln. Sie thun es aus reinem Hcrzcnsan- tricbe, in der Schwachheit ihres Geistes oder Ucberspanntheit ihrer