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über, in ziemlich gutem Rufe. Es ist wahr, man findet einzelne verworfene Subjekte unter ihnen, aber noch immer die Meisten haben ihr ehrliches deutsches Wesen auch hier beibehalten, während man unter den Italienern, Maltesern und Griechen unter hundert Individuen neunundneunzig Schurken antreffen dürfte. Es ist eine schwere, aber leider genugsam begründete Klugheitsregel, beim Umgänge mit den in Egypten ansässigen Europäern jeden von ihnen so lange als Betrüger zu betrachten, bis man sich vom Gegentheil überzeugt hat. Man hat dann wenigstens den Vortheil, nicht so leicht betrogen zu werden, als es sonst geschehen würde. Deshalb frage man bei jeder Kleinigkeit, welche man bei einem Handwerker machen lassen muß, vorher, wieviel sie koste, ja man sei so vorsichtig, sogar im Gasthause sich vorher genau zu erkundigen, wieviel man für Das oder Jenes zu zahlen habe. Die Forderungen, welche sonst gestellt werden, übersteigen alle Begriffe von Unverschämtheit und da der Arbeitslohn und der Aufenthalt in Alerandrien sehr theuer ist, wird gerade dieses zum Deckmantel gebraucht, um desto größere Forderungen, scheinbar ganz gewissenhaft machen zu können. Derjenige, welcher sich bei einem Schneider einen Rock bestellt, ohne vorher mit ihm wegen des Preises ein Uebereinkommen getroffen zuhaben, kann darauf rechnen, einen ganzen Anzug bezahlen zu müssen. Es versteht sich von selbst, daß es Ausnahmen und noch am Meisten unter den Deutschen gibt, immer aber ist es gut, diese Regel fest im Auge zu behalten.
Es ist nicht zu verkennen, daß sich die Verhältnisse der in Egypten lebenden Europäer mit jedem Jahrzehnt mehr gebessert haben. Man erkennt Das, wenn man nur fünfundzwanzig Jahre zurückblickt. Mord, Todtschlag und ein ganzes Heer anderer Verbrechen waren an der Tagesordnung. Die Europäer lebten in vollständiger Anarchie; sie bildeten eine ähnliche Gesellschaft, wie die in Eharthum ansässigen. Türken und Araber wurden noch nicht durch eine strenge Hand von Oben gezügelt. Der Religionsfanatismus der Mohammedaner betrachtete die fränkischen Fremdlinge mit neidischen und argwöhnischen Blicken. Reibereien und mehr oder weniger öffentliche Kämpfe zwischen beiden Parteien kamen