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Die Groß-Industrie Oesterreichs : Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 ; Zweiter Band
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ein Sortiment von über tausend verschiedenen Gegenständen vorräthig haben müssen. Hiebei müssen die Messingwerke bedacht sein, ihre Fabrikate, je nach der Verwendung, die sie finden sollen, aus dem entsprechenden Messing herzustellen, da schon geringe Unterschiede in der Mischung von Kupfer und Zink dem Materiale abweichende Eigenschaften verleihen. Walzbleche für getiefte Waaren, Kessel, Schalen, Wannen, für Bestandtheile von Lampen und Lustern, für gepresste Ornamente, sowie weiche und biegsame Drähte erfordern ein Messing, welches etwa aus 63 Theilen Kupfer und 37 Theilen Zink legirt wurde; für Arbeiten, die bei grosser Dehnbarkeit eine strengflüssige Löthung ertragen sollen, also namentlich in der Fabrication von Musikinstrumenten, dann für sehr dünnen Zetteldraht für Metall­tücher, Siebwaaren, Drahtgeflechte etc. (in welchen besonders die Firma Hutter & Schrantz hervorragt) eignet sich vorzugsweise die Mischung von 65 Theilen Kupfer und 35 Theilen Zink; dieselbe wird auch zur Erzeugung der Patronenhülsen des österreichischen Mannlichergewehres verwendet, wie sie von Gustav Chaudoir & Co., G. Roth, A. Krupp u. A. massenweise erzeugt werden. Für Spänglerarbeiten, die keiner strengflüssigen Löthung bedürfen, für Bleche, die geschabt und polirt werden, und für gewöhnlichen Draht hat sich eine Legirung von 62 Theilen Kupfer und 38 Theilen Zink bewährt. Für Marine- und Eisen­bahnzwecke wird besonders das Münz- oder Yellowmetall aus 60 Theilen Kupfer und 40 Theilen Zink ver­wendet; für Beschläge, einfache Ornamente und zu Gusszwecken dient ein Messing aus 57 Theilen Kupfer und 43 Theilen Zink. Tomback aus 80 Theilen Kupfer und 20 Theilen Zink wird vorzugsweise von den Erzeugern falscher, goldgelb gebrannter Schmuckgegenstände, für Beschläge u. dgl., aus 85 Theilen Kupfer und 15 Theilen Zink für stärkere Bleche und Drähte, zu Gürtlerwaaren, die vergoldet werden sollen, aus 90 Theilen Kupfer und 10 Theilen Zink für Ornamente und Luxuswaaren verwendet.

Neben Blechen, Stangen und Drähten befassen sich die Messingwerke mit der Erzeugung von Röhren verschiedener Dimension, die früher gelöthet wurden, jetzt aber in mehreren Fabriken, wie Chaudoir in Simmering und dem Triester Etablissement, gezogen werden. Auch nach dem Mannesmann- schen Verfahren wurden nahtlose Röhren herzustellen versucht.

Im Messinggusse erzeugte Waaren, wie Mörser, Plätteisen, Glocken, Pipen, Hähne, Leuchter, Verzierungen für Pferdegeschirre etc. werden von allen Messingfabriken, insbesondere von M. Hainisch in Nadelburg geliefert. Messingmodel der mannigfaltigsten Formen für Zuckerbäcker und ähnliche Ge­werbe von Josef Pimpfinger u. A. erfreuen sich eines bevorzugten Rufes und werden nach Frankreich und England exportirt. Messingwaaren aller Art gehen aus den Fabriken von Franz Schmid, Josef Grüllemeyer u. v. A. hervor, deren Namen anzuführen nicht möglich ist, da die aus Messing und Tom­back angefertigten Waaren für den Haus- und Fabriksbedarf, technische Utensilien, Kunst- und Luxus- eegfenstände eine endlose Reihe bilden.

Pakfong und Chinasilber. Aus Kupfer, Nickel und Zink, oft auch mit geringen Zusätzen anderer Metalle, werden verschiedene Legirungen hergestellt, welche unter den Namen Neusilber, Argentan, Weisskupfer, Pakfong, Alpacca, Alfenide, Maillechort, Argent d Allemagne etc. zur Anfertigung zahl­reicher Artikel verwendet werden. Für das österreichische Fabrikat, welches im Mittel aus 60 Theilen Kupfer, 20 Theilen Nickel und 20 Theilen Zink besteht, wurde die von den Chinesen überkommene Bezeichnung Pakfong gebräuchlich, die durch den Berliner Kupferschmied Henniger zuerst bekannt wurde, welcher im Jahre 1813 an dem Lederzeug der Kosaken Schnallen und Verzierungen aus einem silberähnlichen Metalle wahrgenommen hatte, das die Kosaken mit dem chinesischen Namen Pakfong bezeichneten, und der nach vielen Versuchen als Hauptbestandtheil das Nickel darin entdeckte. In Oesterreich fanden Waaren aus Pakfong oder, wie man später sagte, aus Alpacca rasche und grosse Verbreitung, indem Essbestecke, Schüsseln, Theekannen, Präsentirteller, Leuchter, Uhrgehäuse, Dosen, Büchsen etc., wie sie von den Firmen Conrätz & Ditler, Alexander Schoeller, W. Bachmann, Gustav Simon u. A. auf den Markt gebracht wurden, ihres silberähnlichen Aussehens wegen an Stelle von Silber- geräthen traten. Ebenso wurde das Pakfong zur Anfertigung vieler Artikel, die früher aus Messing, Bronze oder Eisen angefertigt wurden, wie Bleche, Drähte, Möbelbeschläge, Thürklinken, Instrumente, Rahmen, Sporen, Ketten, Gewehrgarnituren etc. in Verwendung genommen. Wie in Berlin, von wo aus durch Henniger die Pakfong-Industrie ihren Ausgang genommen, begegnete aber auch hierlands der Gebrauch von Essbestecken gewissen Bedenken, ungeachtet die chemische Prüfung derselben ihre volle

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