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Die Groß-Industrie Oesterreichs : Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 ; Vierter Band
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Werner einen classischen Geschichtsschreiber gefunden hat. Die Tuchmacherei beschränkte sich aber jedenfalls in den österreichischen Gebieten schon vermöge der minderen Beschaffenheit des Rohmaterials auf grobe Waare, so dass die feinen Tücher nach wie vor aus den flandrischen Gebieten bezogen wurden und derart die Handelsbeziehungen zwischen den Ansiedlungsländern und dem Niederrheine noch immer jahrhundertelang aufrecht blieben. Doch erhielten die Orte, in welchen das Tuchmachergewerbe zur Blüthe gelangte, für den Verschleiss der flandrischen Tücher Monopole, so dass den Tuchmachern der Handel mit Tüchern als Ergänzung eines producirenden Gewerbebetriebes gesichert war. Jedenfalls ge­langte die einheimische Erzeugung bei einem solchen Aufschwünge dahin, dass weit mehr als der örtliche Bedarf erzeugt wurde. Die Kaufverbote, welche sich z. B. auf den Ausschnitt Brünner Tuches im Gebiete der Eausitz beziehen, beweisen, dass diese Erzeugungsorte frühzeitig in Wettbewerb zu treten wussten.

Die Geschichte der Iglauer Tuchmacherzunft ist wohl in jeder Beziehung typisch für die Ent­wickelungsgeschichte des Gewerbes in den anderen Orten. Das Tuchmachergewerbe war frühzeitig zu einer äusserst angesehenen socialen Stellung gelangt, die ihren Grund in der Bedeutung des Gewerbes für das »städtische Gemeinwohl« hatte, wie dies z. B. im Jahre 1360 in Iglau urkundlich ausgesprochen ist. In wiederholt bestätigten Statuten, welche auch in Wien 1382 und Tulln 1383 in ähnlicher Weise verfasst wurden, wird die Ordnung im Gewerbe, namentlich in Bezug auf Mass, Gewicht, Reinheit des Materials und Richtung der Arbeitsanlagen hergestellt. Sowie in Wien schon 1412 eine Ordnung der Tuchweber zu Stande kam, so wurde auch in Iglau 1442 eine vollständige Umarbeitung der Statuten der Tuchmacher­zunft, welche insbesondere die Disciplin im Gewerbe aufrecht erhalten sollten und ausserdem den Tuch­machern eine besondere Stellung im Gemeinwesen gaben, durchgeführt. Die Bedeutung des Gewerbes hatte ihm auch ein politisches Uebergewicht im Gemeinwesen verschafft, welches die besonderen Berechti­gungen der Zunft durchzusetzen vermochte.

Das Tuchmachergewerbe hat jedenfalls gegen das Ende des 13. und im Beginne des 14. Jahr­hunderts in den Sudetenländern eine hohe Blüthe erlangt, die uns insbesondere auch von den Städte­gebieten Troppau und Jägerndorf berichtet wird, neben denen Fulnek und Neutitschein schon im 14. Jahr­hundert ausdrücklich Erwähnung finden. Die Stürme der Hussitenkriege übten aber einen mächtigen Rück­schlag auf die Entwickelung des Gewerbes aus. Die Städte wurden in den Kämpfen dieser Zeit auf das härteste mitgenommen, und auch als der Frieden hergestellt war, blieb der Verkehr gehemmt und unsicher. Die Tucherzeugung lag darnieder, die Mitglieder der Zunft verloren ihr Vermögen und eine allgemeine Verarmung trat ein, da das Tuchmachergewerbe durch Kriegsunruhen und Unsicherheit die Möglichkeit des Exportes beinahe vollständig eingebüsst hatte. Allerdings brachten die ruhigen Zeiten, welche endlich gegen das Ende des 15. und zu Beginn 1 des 16. Jahrhunderts anbrachen, dem Gewerbe neuen Auf­schwung. Das l'uchmachergewerbe gelangte zu neuer Bedeutung und fand auch wieder seine hervorragende politische Stellung in dem Gemeinwesen. Mittlerweile hatte die vollständige Aenderung der Wirthschafts- lage, welche die grossen Entdeckungen herbeigeführt hatten, auch einen bedeutenden Umschwung der rechtlichen Einrichtungen des Gewerbes herbeigeführt, welche insbesondere in der der Abneigung der Stände gegen alle Gewerbe- und Verkehrsmonopole entgegenkommenden Handwerksordnung Kaiser Ferdinands II. ihren Ausdruck fanden.

Im Rahmen dieser Handwerksordnung, welche die selbstgeschaffenen Privilegien der Zechen und Zünfte beseitigte und in bestimmter Unilormität die Einrichtungen der Gewerbe regelte, die Rechte der Meister und Gesellschaften abgrenzte, und gegenüber der Selbstverwaltung der Zünfte die Aufsicht des Rathes einführte, gelangten die Tuchmacher, wie dies in Iglau sich insbesondere im Einzelnen darstellt, gefördert durch Rath und Stadt, die das eigene Tuchmachergewerbe in jeder Richtung zu begünstigen suchten, zu einer neuen und endgiltigen Constituirung ihrer Zünfte. Im Jahre 1556 erfolgte in Iglau die Constituirung der Zunft der Tuchmacher, mit dem Zunftzwange, welche aber auch, um die Preiswürdigkeit und Güte der Waare zu sichern, gemeinsame Anstalten einführte. Ein Beschauhaus, ein Waidfarbhaus, Tuchwalken wurden von der Zunft eingerichtet, die. auch das ausschliessliche Recht auf Aufstellung von Tuchrahmen besass. Die Absatzstörungen, welche in Iglau für die Tuchmacher eintraten und insbesondere die ärmeren Meister, welche nicht in der Vermögenslage waren, um die Verkaufsgelegenheit abwarten zu können, hart bedrängten, führten zur Schaffung einer bedeutsamen, der Hebung des Absatzes gewidmeten Einrichtung, einer 1 uchcompagnie, deren Aufgabe es war, die Iglauer Tuchwaare nach auswärts zu ver­treiben. Am Montage nach St. Veit im Jahre 1552 wurde diese sehr bedeutsame Handelsgesellschaft