In Bielitz wurden die ersten Tuchfabriken erst 1811 von Friedrich Grunwald & Comp, und den Gebrüdern Kolbenheyer begründet, die ausserordentlich rasch vorwärts kamen.
Der Aufschwung, den das Tuchmachergewerbe in der fabriksmässigen Erzeugung fand, kam auch den zunftmässigen Tuchmachern Iglaus zu Gute. Die ausgezeichnet organisirte, mit grösster Strenge die Beschau- und Preisfeststellungen durchführende Vereinigung der Zunft als Grosshandlungshaus schaffte den Iglauer Tuchen einen besonderen Ruf. Iglauer Tuch, insbesondere die sogenannten, nach niederländischer Art gewebten »Kniestreicher« fanden reissenden Absatz im In- und Auslande. Die Iglauer übernahmen auch, ihren Concurrenten folgend, die technischen Errungenschaften des Wollwalzens und der Satinir- maschine, und erfuhren besondere Begünstigungen durch die von Kaiser Josef II. vollzogene Verschärfung des Prohibitivsystems. 1795 waren 548 Meister an eben so vielen Stühlen thätig. Die Organisation der Iglauer Tuchmacher und Weber als Grossfabrik und Grosshandelshaus bewährte sich so lange, als tüchtige, des Gewerbes und Handels kundige, nicht der Zunft angehörige Personen an der Spitze der Societät standen. Mit der Zeit aber kamen sämmtliche Stellen in den Besitz von Zunftgenossen und damit riss Misstrauen und Zwiespalt ein.
Diese Vorkommnisse und die Wirrsale der napoleonischen Zeit, welche der Stadt Iglau eine französische Besatzung und harte Kriegscontributionen brachte, bewirkten für das blühende Handwerk einen raschen Umschwung.
Einen neuen Aufschwung brachte der Tuch-Industrie Oesterreichs die von Napoleon im Jahre 1806 angeordnete Continentalsperre. Die immer sehr fühlbar gebliebene Concurrenz Englands wurde vom (Kontinente nahezu vollständig entfernt; dadurch wurde den Industrien des Festlandes die Gelegenheit zur Anknüpfung wichtiger und einträglicher Verbindungen gegeben. So eröffnete sich auch der Tuch-Industrie unserer Hauptgebiete eine lebhafte Nachfrage nach ihren Producten, der sie kaum zu genügen vermochte. Zugleich übte das stetig sinkende Agio die Wirkung eines Schutzzolles, welcher der heimischen Industrie zu Gute kam. Insbesondere hob sich Reichenbergs Tuchmachergewerbe. Zu dieser Zeit siedelten sich Reichenberger Tuchweber, um die Conjunctur vollständig ausnützen zu können, auch in dem nahen Gablonz an, kamen in Bielitz und Teschen die Tuchfabriken zu rascher, allerdings nicht dauernder Blüthe und steigerte sich in Brünn die Zahl der Fabriken auf 21, welche allein 30.000 Spinner beschäftigten.
Diese Periode war aber auch dadurch bedeutsam, dass die technischen Vervollkommnungen, welche die Textil-Industrie in England Dank dem Erfindergenie eines Hargreave, Arkwright, James Watt u. a. m. gefunden hatte, langsam ihren Einzug in unseren Industriegebieten hielten und die vollständige Revolu- tionirung des Productionsprocesses einleiteten. Der ganze Arbeitsprocess vom Reinigen der Wolle bis zur Appretur der Waare vollzog sich bis dahin mittelst Handarbeit und unvollkommener Geräthe und nahm ungemessene Zeit und Kraft in Anspruch, ohne dabei auch nur annähernd jene Vollkommenheit zu erreichen, welche der maschinelle Betrieb gewährt. Insbesondere gilt dies von dem Verspinnen der Wolle zum Garne, welches durch die Vermittlung von Factoren Landleuten in einem weiten Umkreise der Industriecentren, die während des Winters Zeit zur Arbeit fanden, überlassen wurde und eine ausserordentlich grosse Zahl von Händen beschäftigte. Dem Altgrafen Hugo Salm-Reifferscheidt dankt Brünn das Bekanntwerden der ersten englischen Spinnmaschinen. Mit grossen persönlichen Opfern und unter nicht geringer Gefahr war es dem Altgrafen Salm, anlässlich einer Reise, die er mit dem Brünner Landschaftsapotheker Petke 1802 nach England unternommen hatte, gelungen, in den Besitz genauer Zeichnungen von Schafwoll-Spinnmaschinen, sowie von Vorbereitungs- und Hilfsmaschinen, nebst genauen Regulativen zu gelangen. Im Herbste 1802 bildete sich in Brünn eine Societät zur Begründung einer Schafwoll-Spinnmaschinen-Bauanstalt, deren Producte zunächst in der Fabrik der Herren Hopf & Bräunlich in Betrieb gelangten und gleich bei ihrer Erprobung vollen Anwerth fanden. Die Lang’sche Fabrik in Teltsch setzte englische Scheer- und Spinnmaschinen in Gang, deren Anwendung auch sonst einen rascheren Fortgang fand, als die Brüder Delhaes aus Eupen und die Niederländer Bonner, Eylardy und Doelen sich in Brünn niederliessen.
Die Gründung einer Spinnfabrik durch die Brüder Delhaes 1814 als erste Lohnspinnerei war der Anfang zu einer Specialisirung dieses Industriezweiges, welche für die weitere Entwickelung der Schaf- wollwaaren-Industrie von grosser Bedeutung sein sollte. Die erste Cockerill’sche Spinnmaschine brachte F. A. Boner nach Brünn, der mit Eylardy und Doelen die Befugnis zur fabriksmässigen Herstellung von Maschinen für Tuchfabrication erhielt. Bedeutungsvoll ist auch, dass die rheinischen Tuchscheer-Fabrikanten Karl Philipp Eichholz und Friedrich Offermann, als die ersten, in Adamsthal bei Brünn 1796 die Erzeugung
56