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Die Groß-Industrie Oesterreichs : Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 ; Vierter Band
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Seither spinne ich nur die Feinheit von Nr. 30 bis Nr. 70, und nach meinen seitherigen Erfahrungen bin ich nicht der Meinung, dass wir Spinner die Feinheit viel höher als Nr. 80 aus inländischem Flachse bringen werden, wenn das Garn dauerhaft und gleich bleiben soll. Doch dürfte es vielleicht anderen Spinnern mit vieler Anstrengung gelingen, feiner zu spinnen, die Ursache haben, weniger auf den Nutzen als auf den Ruhm zu halten.

Mein jährlicher Flachsbedarf ist jetzt bei 2500 Centner zu 20 fl. gleich 50.000 fl. C.-M., der grösstentheils in Böhmen selbst gebaut wird, und was fehlt, kaufe ich in Mähren. Die Abfälle sind bei der Spinnerei sehr bedeutend, blos in Staub und Asche fallen 500 Centner, die ganz nutzlos verloren gehen, ferner werden bei 1000 Centner Werg jährlich, das die vielen armen Handspinner im Bidschower und König- giätzer Kreise zu 8 fl. C.-M. sehr gern kaufen, um es mit der Hand zu verspinnen, und nur aus dem Rest von 1000 Centner reiner Flachs­faser kann gutes und dauerhaftes Garn erzeugt werden.

Das jährliche Garnerzeugnis beträgt dermalen bei dem noch kleinen Betiieb der Fabrik an 2000 Schock, wovon bei 200 in die Schweiz, 400 nach Würtemberg, 100 nach Bayern, 600 nach Mähren und 700 in der hiesigen Gegend an Weber verkauft werden; Summa 2000 Schock. Die Vergrösserung der Fabrik auf das Doppelte ihrer dermaligen Grösse ist zwar beschlossen, und zu diesem Behufe auch schon im vorigen Jahre die Gebäude aufgeführt worden, so dass in 9 bis 12 Monaten bei 4000 Spindeln in Bewegung kommen könnten; es scheint mir aber, dass eine fernere Vergrösserung auf das vierfache der gegenwärtigen Spindelzahl, also auf 8000 Spindeln, wozu eine Wassergewalt, die ich auf 60 bis 80 Pferdekräfte steigern könnte, ganz geeignet wäre, nicht wohl möglich sein wird, wenn die hohe Regierung uns Flachsspinner nicht unter ihre gnädige Aegide nimmt! Sollte dieses sein, so werde ich alle meine intellectuellen und noch unbenutzten Geldkräfte an wenden, diesen neuen Industriezweig auf eine ungeahnte Höhe zu bringen und die Fabrik auf 8000 Feinspindeln zu vermehren und Freude haben, einer Menschenmasse von mehr als 1000 Personen tagtäglich und jahraus jahrein in meiner Fabrik Arbeit, Brot und den nöthigen Unterhalt der Ihrigen, die ihnen die Natur ans Herz legte, geben und andauernd verschaffen zu können.

Trautenau, am 1. November 1841. Johann Faltis.

Im Jahre 1835 erwarb Johann Faltis in Jungbuch bei Trautenau eine Wasserkraft von 30 bis 40 Pferdekräften, wohin er die in Pottendorf erzeugten, für den Handbetrieb eingerichteten und aus Holz construirten Flachsspinn­maschinen kommen liess. Diese Maschinen waren der Concurrenz des Auslandes aber nicht gewachsen und wurden bereits im Jahre 1837 durch verbesserte Systeme ersetzt. Im Jahre 1841 zählte die Flachsspinnerei in Jungbuch bereits 2000 Spindeln und beschäftigte 229 Arbeiter; die Spindelanzahl wurde im Jahre 1842 um 2000 , im Jahre 1845 um 2400 Spindeln vermehrt. Inden Jahren 1848 bis 184g wurde eine weitere Spinnerei in Jungbuch mit 8000 Spindeln gebaut, im Jahre 1854 eine mit 7200 Spindeln.

Die Jahre 1858 bis 1860 brachten die Errichtung einer Spinnerei in Trautenau mit 14.000 Spindeln, während gleichzeitig in Jungbuch die ältesten Maschinen 5600 Spindeln ausser Betrieb gesetzt wurden. In Folge des guten Geschäftsganges der Jahre 1863 und 1864 wurde eine weitere Spinnerei von 10.000 Spindeln in Trautenau als letzte der Faltissehen Schöpfungen in Böhmen erbaut.

In das Jahr 1 864 fällt noch die in Gemeinschaft mit Emil Grützner vorgenommene Gründung der Flachs­spinnerei in Hainitz bei Bautzen mit 5000 Spindeln, welche später auf 10.000 Spindeln vergrössert wurde und die heute im Besitze eines Enkels des Gründers ist.

Leider erblindete der Gründer im Jahre 1858, blieb aber trotzdem an der Spitze des grossen, von ihm geschaffenen industriellen Unternehmens, bis ihn der Tod am 18. Februar 1874 seinem schaffensfreudigen Leben entriss. Kurze Zeit vor seinem Tode wurde er noch von Se. Majestät dem Kaiser durch Verleihung des Franz Joseph- Ordens ausgezeichnet

Das Unternehmen wurde unter der Firma Johann Faltis Erben fortgeführt und gehören zu demselben die Flachsspinnereien in Jungbuch mit 16.000, in Trautenau mit 24.000 und in Liebau mit 5000, zusammen 45.000 Spindeln und 3200 Arbeitern. Die Firma repräsentirt somit eine der grössten Unternehmungen der continentalen Leinen- Industrie überhaupt.

Die gegenwärtigen Inhaber der Firma sind die Herren: Carl von Faltis, k. k. Commercialrath, Präsident des Verbandes der österreichischen Flachs- und Leinen-Interessenten in Trautenau, Arthur R. von Clanner-Engels- hofen, Richard Fiedler, Fritz von Faltis, Hermann Fiedler, Ernst, Victor, Alphons und Anton Porak de A^arna.

Bei der Bedeutung der Firma Faltis für die Geschichte nicht allein der Leinenspinnerei, sondern der ganzen Industrie Oesterreichs, soll es auch nicht unerwähnt bleiben, dass dieselbe für sich allein bereits im Jahre 1844 auf der Allgemeinen Ausstellung deutscher Gewerbeerzeugnisse in Berlin die österreichische Leinen-Industrie mit solchem Erfolg zu repräsentiren vermochte, dass ihr für das in der Spinnerei Jungbuch erzeugte, aus inländischem Flachse versponnene Maschinen-Flachsgarn Nr. 30 bis 60 der erste Preis zuerkannt wurde.

Auch an der Weltausstellung in Wien vom Jahre 1873 und der Pariser Weltausstellung vom Jahre 1878, an welchen sich die Firma betheiligte, wurde sie bei der ersteren mit dem Ehrendiplome, bei der letzteren mit der goldenen Medaille ausgezeichnet.

Die Gross-Industrie. IV.

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