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Die Groß-Industrie Oesterreichs : Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 ; Vierter Band
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weber. In Oesterreich wurden im vorigen Jahrhunderte Teppiche fast nur im Wege des Hausfleisses erzeugt und kamen kaum in den Handel, da die in einer Familie verfertigten Waaren vom Vater auf den Sohn als heiliges Familieneigenthum vererbt wurden. Der beschränkte Bedarf wurde vollkommen durch Importe aus Holland, England und Frankreich gedeckt. Interessant ist es, einen Bericht über den damaligen Stand der österreichischen Teppich-Industrie zu lesen. Stephan Edler von Keess, erster Commissär bei der k. k. niederösterreichischen Fabriken-Inspection, schreibt 1820 in einer Darstellung des Fabriks- und Gewerbe- wmsens im österreichischen Kaiserstaate Folgendes: »Bei dem hohen Alter, welches der Teppichfabrication zugeschrieben wird, hat sie doch in den österreichischen Staaten erst in den letzten Decennien des ver­flossenen Jahrhunderts Fuss gefasst. Der Verbrauch an Teppichen im Inlande im Vergleich mit anderen Ländern war immer unbedeutend, nur der reiche Particulier und Kaufmann belegten ihre Wohnungen damit, jener der Pracht, dieser der fremden Sitten wegen, die er von seinen Reisen auf heimatlichen Boden mitgebracht hatte. Es mangelte daher an Reiz, Geld auf die Etablirung von kostspieligen Unter­nehmungen zu wenden, und man musste vorläufig aus den Niederlanden beziehen. So wie aber der Ge­schmack für Teppiche allgemein und das Begehren darnach grösser ward, wurden sie ein Gegenstand ein­heimischer Speculation und man fieng in Wien um das Jahr 1780 mit der Erzeugung dieses Artikels an«. Keess berichtet auch von der Errichtung einer Fabrik eines gewissen Wilhelm Kreil im Jahre 1792. Er fabricirte Savonnerie-Teppiche, scheinbar ohne viel Glück, da er 1799 seine Arbeit schon einstellen musste. Ein gleiches Schicksal hatte eine einige Jahre früher in Wien errichtete Privat-Unternehmung ge- troffen. Die Kosten der Einrichtung und des Betriebes standen noch in keinem Verhältnisse zu dem geringen Absätze. Auch in Tirol beschäftigte man sich mit der Erzeugung einer ordinären Fussteppichgattung. Dieselbe fand durch die Deffregger Hausirer ihren Vertrieb nach allen österreichischen Provinzen und dem Auslande. Im eigentlichen Sinne fabriksmässig wurden Teppiche zuerst in der k. k. Wollzeugfabrik in Linz verfertigt; dieser Fabrik gebührt wohl der Dank für die Gründung einer österreichischen Teppich- Industrie. Es dürfte von Werth sein, Näheres über diese Staatsfabrik zu hören. Interessante Aufschlüsse darüber gibt Pillweins Beschreibung der provincialen Hauptstadt Linz.

»Der Ursprung der Fabrik ist auf den Handels­mann und Bürger zu Linz Christian Sind zurückzuführen, der 1672 durch Leopold I. die Bewilligung erhielt, eine Manufactur für Wollzeuge nebst einer Schönfärberei zu errichten. Durch seine Nachkommen gieng die Fabrik in den Besitz der Stadt Wien über, von der sie 1722 durch die sogenannte orientalische Compagnie um 240.000 fl. erworben wurde. Bald gerieth diese Compagnie in Verfall und wurde durch den Allerhöchsten Hof 1754 übernommen, ,mit Befriedigung der zahlreichen Gläubiger theils in der wohlthätigen Absicht, um der in Oesterreich ob der Enns so zahlreichen Classe der Weber Arbeit und Erwerb zu verschaffen, theils aber auch, um das ausschliessende Privilegium dieser Fabrik aufzugeben und die Zeugweberei im ganzen Lande freizugeben'.« Als durch die Einführung der Baumwollgarne die Schafwollzeuge weniger gebraucht wurden, begann man im Jahre 1795 die Teppicherzeugung. Ein besonderes Verdienst um diesen Industriezweig in der Wollzeugfabrik wird dem Ober-Werkmeister Jakob Fessel, einem Oberösterreicher, zu­geschrieben, der an den Stühlen viele Verbesserungen einführte. Einen grossen Aufschwung erlangte die Teppichfabrication durch den Regierungsrath Gross von Ehrenstein, der die Linzer Producte auf eine gleiche Stufe mit den damals importirten englischen Teppichen brachte. Ungünstiger Geschäftsverhältnisse halber wurde diese Fabrik im Jahre 1852 aufgelöst und durch Joseph Dierzer, der schon seit den Vierzigerjahren

Mechanischer Brüssel Webstuhl.

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