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er noch nicht auf der höchsten Stufe der Kunst stellt, die ihm nicht unerreichbar ist.

Keusche ist ein Komiker, wie es deren wenige gibt: be­haglich und geistvoll, voll Fröhlichkeit und Reflexion zugleich.

Von den übrigen Theatern Wiens will ich nur die Lieblinge erwähnen.

Im Wiedner Theater ist Fräulein Geistinger das Centrum alles theatralischen Lebens: ein bedeutendes Talent im edelsten Sinne des Wortes, ist sie eben so gross in ernsten Rollen, wie als Soubrette, sie lacht eben so herzlich, wie sie bitterlich zu weinen vermag.

Ihreschöne Helena ist in ihrer Art ebenso populär ge­worden wie ihreFrau von der Strasse (in Laube'sKosen Zungen). In der ersteren Rolle Übertritt! sie die Schneider, in der Letzteren übertraf sie sich selber. Die Bedeutung ihres Talentes und ihre vielseitige Gestaltungskraft würden noch mehr hervortreten, wenn sie nicht durch übertriebenen Toiletten - Luxus den günstigen Eindruck stets paralysirte. Das Funkeln ihrer Brillanten verdunkelt die Diamanten ihres Talentes.

Ihre Kunst ist die echteste, die man sich denken kann: denn sie ist einfach das Spiegelbild der Natur.

Neben der Geistingcr besitzt das Theater an der Wien noch den ausgezeichneten Charakteristikcr Rott, die Genrebild Virtuosin Herzog und den hochbeliebtcn Thaddaed'l-Komiker Friese.

Herr Swoboda ist an dieser Bühne zu ständigen Gastrollen engagirt. Er hat eine hübsche Tenorstiinrnc, grosse Zuversicht in der lebhaften Komik, und ist ein Liebling des Publikums.

Das Strampfertheater ist klein wie eine Bonbonniere und ebenso nett wie diese. Es ist ein charmantes Nestelten von Samrnt und Vergoldung vielleicht zu klein für die Kunst, sicher aber gross genug für das Amüsement.

Die Direction dieser Bühne hat sich durch die Acquirirung des Fräulein Josefine Gailmeyer eine Attractionskraft erworben, die das Prosperiren dieser Bühne ausser Frage stellt.