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iLjana (äctsüm^r,

Dircctrice des k. k. priv. Theaters an der Wien.

Fräulein Marie Geistinger gehört von ihrer Kindheit der Bühne an und ihr reiches und vielseitiges Talent entwickelte sieh bereits sehr frühzeitig, so dass sie noch als sehr junge Schau­spielerin und Soubrette an den grössten Bühnen Deutschlands und Oesterreichs gastirend schon lange vor ihrem Auftreten in Wien zu den berühmtesten und ausgezeichnetsten Künstlerinnen Deutsch lands gehörte. Im Jahre 1805 trat sie hei dem Theater an der Wien in ein dauerndes Engagement. Sie ist für Deutschland und Oesterreich die Schöpferin der Operettenpartien des Otfenbachschen Genres geworden. Bewundernswert!! ist ihre Vielseitigkeit. Sie singt mit hinreissender Verve heute die weibliche Hauptpartie m einer Operette, entzückt als Grossherzogin oder schöne Helena das Publikum Otfenbachs, den andern Abend leistet sie ausserordent­liches als Schauspielerin in einem Langerschen oder Bergschen Volksstück und deckt durch ihr Spiel die etwaigen Mängel der Dichtung, dann glänzt sie in einer ernsten Rolle, der sie feines, distinguirtes, geistiges Leben einzuhauchen versteht. Sogar in Opern­partien hat sie Bedeutendes geleistet und trotz ihrer Tüchtigkeit im Gesang es nicht verschmäht, noch in Wien durch Professor Wolff sich für die Oper schulen zu lassen.

Ihr feiner künstlerischer Geschmack tritt auch in den Toiletten hervor, welche sie für ihre Rollen wählt und sie ist damit nicht ohne Einfluss auf die Mode in Wien gewesen. Seit 1869 Mitdirectrice des Theaters an der Wien, ist sie in ihrem Fleiss unermiidet geblieben, sie ist das am meisten beschäftigte Mitglied dieser Bühne, und das Wiener Publikum, welches bei jeder sich bietenden Gelegenheit sie auszeichnet, zählt sie zu seinen ersten Lieblingen. Ihr Auftreten nach einer längeren oder kürzeren ITnterbrechung

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