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Im Jahre 1820 unternahm Madame Neumann eine Kunstreise nach unserer Kaiserstadt Wien, und kam ihr, als sie im Theater an der Wien gastirte, die damals ganz seltene ehrenhafte Auf­forderung zu, im kaiserlichen Burgtheater aufzutreten.

Hier wurden ihre Darstellungen mit enthusiastischem Lobe gepriesen, reichlich in Versen besungen, und der jungen Künstlerin ein Engagement unter vortheilhaftesten Bedingungen angetragen.

Diese ungeteilten Beifallsbezeugungen, deren Madame Neumann sich hier zu erfreuen hatte, waren nur schwache Vor­boten des Triumphes, welchen sie im folgenden Jahre 1821 am Spree­gestade feierte. Mit dem Gastspiel in Berlin beginnt die glänzendste Kunstepoche ihres Lebens.

Die Gastrollen in Berlin vollendeten den Kunstberuf der Madame Neumann. Wie ihre Darstellungen in Hamburg (1821) der freundlichsten Aufnahme sich erfreuten, so ward ihr Gastspiel in Hannover (1823) von dem schönsten Erfolge gekrönt.

Herr Neumann starb im September 1823.

Ihre Gastspiele in Frankfurt und Stuttgart 1825, sowie auf den ersten deutschen Bühnen gehörten zum lauten Künstlerruhme der holden Wittwe, doch erschien sie auch auf kleineren Theatern, wenn es galt, einem Kunstgenossen aufzuhelfen, das lecke Schiff eines Bühnendirectors auszubessern, oder solches, wenn es zur Zeit der Ebbe auf eine Sandbank gerathen war, wieder flott zu machen.

Während des Aufenthaltes in Leipzig ward ein Rosenorden gestiftet, Madame Neumann zum Grossmeister ernannt und ihr eine von Rosen zusammengefügte Leier überreicht. In ihrer Vaterstadt ward wiederholt von vielen Fremden ausgesprochen:

Der Schönheit wundervollen Lenz Erblickt in Badens Residenz.

Vor dem Gastspiele in Berlin 1825 hatte Madame Neumann hier in Wien am Burgtheater abermals Gastrollen gegeben. Wenn man früher ihr aufkeimendes Talent bewunderte und den nach- herigen Glanz der reizenden Novize schon geahnt hatte, so wurde doch Jedermann durch ihre Kunstausbildung überrascht, ja von

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