oder blosse Sculpturwerke. Da tritt der Verblender als Form- oder Facjonstein, einfarbig oder bunt, vielfach auch glasirt als Form- und Decormittel auf. Es ist dies die häufigste Anwendung, wenn auch nicht in Oesterreich, so doch im Auslande! Glatte, farbenfreudige Fa^aden erzielt man durch bunte Verkleidungsplatten und Plättchen, die an den Hintermauerungssteinen befestigt werden. Auch Thonmosaik, schon von den altasiatischen Völkern geübt und bei Tempel- und Staatsbauten verwendet, dient diesem Zwecke. Eine Hauptgruppe bilden die plastischen Arbeiten aus Thon, sei es als Flach­ornament, als Relief oder als figuraler Schmuck. Es ist die Kunst der Terracotta, die schon im Alter- thume zu einer hohen Kunst, zu einer grossen technischen Vollendung gelangt war. Dass in diesen Gebieten die Völker des Orients die Bahnbrecher und Begründer der Technologie des Thones waren, ist allbekannt.

Die Plastik ist aus der Architektur erstanden. Sie brachte Leben in die starre Stein- oder Ziegel­masse. Der Orientale liebte bunte glatte Flächen, hatte Freude an seinen vielfarbigen Fliesen und musivischem Thonschmuck. Die Plastik konnte da zu keiner Blüthe gelangen. Erst die Griechen er­hoben die Thonplastik zu einer künstlerischen Höhe und machten sie zu einer Schwesterkunst der Archi­tektur. Das einfache Flächendecor, die bunten Thonfliesen entsprachen nicht dem Geschmacke, dem Kunstsinne dieses hochbegabten Volkes. In dem bildsamen Töpferthon fanden sie den geeigneten Stoff, das Mittel zu dieser Kunstübung. Die Antike und die Zeit der italienischen Renaissance waren die mustergiltigen Epochen der Terracottakunst. Die Beherrschung des Materials, dessen plastische Gestal­tung, die Erfindungsgabe wirken noch auf unsere Zeit und Arbeit zurück.

Das unerlässlichste und meistgeiibte Gebiet der Thonwaarenerzeugung ist die Ziegelindustrie. Jedes Reich, jedes Land zählt zahlreiche derartige Betriebe und schafft der steigende Bedarf an den unerlässlichsten Baumitteln, der Unternehmungssinn fortwährend neue Fabriken. Sie ist, wie mehr oder weniger jedes Gebiet der Thon-Industrie, an einen bestimmten Ort, an die Scholle, welche das nöthige Rohmaterial liefert, gebunden. Ihre Massenerzeugnisse, die zumeist doch nur mässige Preise erzielen, lassen keine Zufuhr von auswärtigen Rohstoffen zu, daher keine Ziegelfabrik ohne eigene Lehm- oder Thonlager. Die Technologie ist Hand- oder Maschinenarbeit für die Formung und den Brennprocess. Die Maschinenarbeit, als Formung des Materials, geschieht auf nassem oder trockenem Wege. Für diese Arbeitsprocesse dienen eigenartige Einrichtungen und Maschinen, die im Inlande in vollendeter Weise hergestellt werden.

Die Ziegel-Industrie, deren Entwicklung und Blüthe hängt innig mit der Bauthätigkeit einer Stadt, eines Landes zusammen. Sie hängt daher sowohl materiell als technisch und künstlerisch von der Bau­kunst ab. Diese gibt Arbeit, Bethätigung und Fortschritt in jeder Richtung. Architekten und Baumeister, Monumentalbauten, kunstsinnige Bauherren, Stadt und Reich mit ihren Bauaufträgen sind die Förderer und Arbeitsgeber der Ziegel-Industrie. Architekten, welche neuen Bahnen folgen und den Feinziegelbau, die bunten Thonfa9aden, die Baumajolica bevorzugen, den Backsteinbau in seiner vollen Schönheit pflegen, stehen da an erster Stelle. Leider sind ihrer in unseren Tagen nur wenige! Wenn die Her­stellung von besseren und Feinziegelwaaren in Oesterreich noch nicht den Umfang wie in den Nachbar­staaten erreicht, so ist dies eben nur der Beharrlichkeit zuzuschreiben, mit der man an Putzbauten mit ihren getünchten Facjaden hängt. Man scheint oder will gar keine andere Bauweise kennen. Palast und Miethkaserne, städtische und staatliche Bauten sind ohne Verputzfac^aden, ohne die vielen Mörtelkünste, die Terracotten und Ornamente ersetzen sollen, gar nicht denkbar. Ueber Stein- und Feinziegelbauten scheinen die zu Reformen berufenen Baukreise überhaupt ein Anathema ausgesprochen zu haben.

In einem Rückblicke auf die Entwicklung der Ziegel-Industrie seit dem Regierungsantritte unseres geliebten Landesvaters muss auch der Architektur dieser Epoche gedacht werden. Sie setzt sich aus wenigen Abschnitten an Zeit und Kunstbestrebungen zusammen. Wien ist der Hauptort für die Bau­geschichte der Monarchie, von hier gingen alle Bestrebungen, alle neuen und schöpferischen Gedanken aus, welche das ganze Baugewerbe in neue und fruchtbare Bahnen wiesen. Von 1848 bis 1858 war ein technischer und künstlerischer Stillstand im ganzen Bauwesen bemerkbar. Die Ziegel- und Thon- Industrie war ein kaum gekannter Begriff. Man arbeitete im landwirthschaftlichen oder gewerblichen Betriebe. Von einer Gross-Industrie hatte man noch keine Ahnung. Die Bauthätigkeit war überhaupt

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